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Götakanal & Oslo - 2002
Reisebericht
SCHWEDEN 2002
Die Idee zu dieser Reise entstand eher zufällig und als Kompromiss. Nachdem Claudia im letzten Jahr auf den Lofoten ziemlich unter der widrigen Witterung gelitten hatte, wollte ich in diesem Jahr ein wärmeres Revier aufsuchen: In Schweden können die Sommer vor allem im Landesinneren sehr warm und schön sein (was dann auch der Fall war). So kamen wir auf einen Törn rund um Südschweden. Dann wollten wir nicht mehr soviel segeln und mehr faulenzen - das hat sich nicht erfüllt, dazu war für die Strecke zu wenig Zeit kalkuliert, wie sich dann herausstellte.
Etappe 1: Skaerbaek -> Götakanal (Mem)
1 0 26.07.2002 Skaerbaek 0 sm -
Auf der Anreise haben wir in Flensburg noch frisches Obst, Gemüse, Fleisch und Yoghurt besorgt. Am Nachmittag treffen wir in Skærbæk ein. Peri liegt im Werfthafen von Faurby. Wir beginnen so-fort, unser Auto auszuladen. Es geht schneller als gedacht, bis zum Abend sind wir fast ganz fertig.
Als Claudia das Klo benutzt und pumpt (peri hat einen Fäkalientank), stinkt es kurz darauf im Salon ziemlich nach "Kloake". Wir wundern uns und lüften kräftig, messen diesem Umstand aber keine weitere Bedeutung bei.
1 1 27.07.2002 Skærbæk -> Fänö-Sund
Wir genießen den wunderschönen Morgen. Vor dem Auslaufen teste ich die Seenot-Rettungsmittel. Dabei stelle ich fest, dass die Mann-über-Bord-Boje nicht funktioniert: Das Katapult wird nicht aus-gelöst. Die Fehlersuche gestaltet sich sehr schwierig. Mühsam verfolge ich den Strom in den Ka-beln, um schließlich festzustellen, dass der Magnetschalter im Katapult nicht geht. Ich baue ihn aus und sehe, dass der Magnetschalter vollständig korrodiert ist. Da ich ihn nicht reparieren kann, de-montiere ich ihn. Damit steht diese Einrichtung für die Reise nicht zur Verfügung. 2 Stunden habe ich dafür gebraucht.
Als ich den Motor zum Test anlasse, lässt er sich nicht mehr ausschalten. Die Ursache liegt an dem von der Werft falsch montierten Bowdenzug, den sie neu befestigt hatte. Ich benötige 1 1/2 Stun-den um den Aus-Schalter wieder funktionsfähig zu machen.
Beim Testen des GMDSS-Not-Senders (EPIRB) stelle ich fest , dass die Anschlusskabel vertauscht waren. Auch dies ist ein Fehler der Werft.
Schließlich fette ich noch alle Winschen und schmiere alle Blöcke.
Erst am späten Nachmittag können wir uns auf den Weg machen. Es ist ein kurzer Schlag zur Insel Fænø. Auf dem Weg dorthin versuchen wir noch zu angeln, haben jedoch keinen Erfolg. Vor Fænø ankern wir. Zur Einstimmung genießen wir den wunderschönen Abend.
1 2 28.07.2002 Fänö-Sund -> Æsnæs
Der nächste Morgen beginnt mit einer Überraschung: "Wo kommt denn das Wasser her?" fragt mich Claudia. "Wohl von der Spüle" meine ich, "muss man halt aufwischen." Doch kurz nach dem Aufwischen steht wieder Wasser auf dem Boden im Salon unterhalb der Spüle. Jetzt gehe ich der Sache auf den Grund und stelle fest, dass die Bilge unter der Spüle bis zum Rand voll Wasser steht. Wenn der Salonboden aus losen Brettern bestehen würde, würden diese jetzt wohl schwim-men, denn die Salonbilge ist am Überlaufen. Wieso geht die Lenzpumpe nicht automatisch? Der entsprechende Schalter ist auf meine Mängelrüge hin nämlich von der Werft ausgetauscht worden. Er geht offensichtlich immer noch nicht (oder wieder nicht). Wo kommt das Wasser überhaupt her? Haben wir ein Leck? Ist das das Ende der Reise bevor sie überhaupt begonnen hat? Während ich die Ursache für das Wasser in der Bilge herauszufinden versuche, geht Claudia gerade auf`s Klo. Als sie pumpt sehe ich zufällig, wie am Stutzen für den Füllstandsanzeiger des Fäkalientanks aus der Dichtung Luftblasen aufsteigen, und zwar genau im Pumprhythmus. Das muss ein Leck sein, das den "Kloakenmief" erklären würde. Aber wo kommt das Wasser her? Erst lenzen wir einmal. Als die Bilge leer ist, stellen wir fest, dass offenbar an der Stelle, wo die Luftblasen austraten, nun auch Wasser austritt. Sobald ich das Seeventil schließe, hört das Wasser auf, aus der Dichtung zu perlen. Öffne ich das Seeventil, wird die Stelle wieder nass. Ein Zusammenhang zwischen Seeventil und Wasseraustritt ist offensichtlich. Ich versuche, die Befestigungsschrauben nachzuziehen, wobei ich feststelle, dass eine der sechs Schrauben nicht mehr fasst: Das Gewinde muss ausgedreht worden sein. Um den Deckel ganz abzuschrauben und mit einer neuen Dichtung wieder zu montie-ren, fehlt mir nun der Mut. Darum versuche ich, mit Silikon von außen die Dichtung zuzuschmieren, in der Hoffnung, dass es dicht wird. Leider stellt sich aber schnell heraus, dass dieser Versuch nicht von Erfolg gekrönt ist. Aber sobald das Seeventil geschlossen ist, dringt kein Wasser mehr ein. Die Ursache scheint gefunden und beherrschbar zu sein. Die Reise kann starten. Wäre peri noch länger als die letzten zwei Wochen (seit die Werft das Boot ins Wasser gebracht hatte) ohne Kontrolle im Hafen gelegen, wäre wohl langsam aber sicher das Boot abgesoffen!
Im weiteren Verlauf der Reise ergibt sich, dass dies wohl wirklich die einzige Ursache für das Was-ser in der Bilge und den Kloakengeruch gewesen sein muss. Während wir das Wasser mit dem Seeventil in den Griff bekommen, müssen wir nach jeder Benutzung der Toilette erst einmal den Salon kräftig durchlüften. Aber an was gewöhnt man sich auf einer Seereise nicht alles. Es gibt Schlimmeres als nun insgesamt 2 Tage Verzögerung gegenüber unserer ursprünglichen Planung! Anmerkung: Nach Angabe der Werft darf das Seeventil immer offen bleiben, da (theoretisch) durch die Pumpe kein Wasser in den Tank eindringen kann/darf. Letztlich ist es wieder einmal ein Monta-gefehler der Werft, die im Winter die fehlenden Absperrventile im Schmutzwassersystem ergänzt hatte. Zum wiederholten Male frage ich mich, ob die ihre Arbeiten überhaupt prüfen? Qualitäts-kontrolle? Wohl Fehlanzeige, scheint unbekannt zu sein.
So wird es Nachmittag, bis wir endlich den Anker lichten und uns bei mäßigem Wind endlich auf unsere Reise begeben. Zunächst müssen wir bei wechselhaften Winden durch den kleinen Belt nach Norden kreuzen. Ab Fredericia können wir hoch am Wind einen Kurs nach ENE anliegen. Es ist ein traumhafter Sonntag-Nachmittag, dementsprechend sind viele Segler unterwegs. Wenn es so flott weitergeht, werden wir doch noch ein gutes Stück schaffen. Aber wie habe ich schon letz-tes Jahr festgestellt: Man darf nie ETAs ausrechnen, denn dann ändert sich der Wind bestimmt. Folglich schläft auch nun bald der Wind ein. Zwar ist es eine wunderbare flaue Stimmung auf dem öligen Wasser in Sichtweite der dänischen Inseln, aber wo werden wir heute Nacht schlafen? Ich hatte eigentlich nicht vor, die erste Nacht zu segeln! Nördlich von Khorshavn treiben uns Strömun-gen durch ein Feld von Fischerzeichen. Nur mühsam können wir ausweichen, ohne ein solches Fähnchen aufzugabeln. Eines rutscht zwischen Hauptrumpf und Seitenschwimmer unter dem Trampolin hindurch. Ein leichter Windhauch bringt uns schließlich an die Ecke von Rosnæs. Aber hier gibt es keinen guten Ankerplatz. So dauert es noch ewig lange, bis ich Aesnæs und einen pas-sablen Platz zum Ankern bei SE-Wind erreiche. Claudia ist schon lange in der Koje und schläft, bis ich sie etwa um Mitternacht mit dem Rumpeln der Ankerkette wieder aufschrecke.
1 3 29.07.2002 Aesnaes -> Egholm
Dieser Morgen beginnt, wie der Abend gestern aufgehört hatte: Flaute aus ESE, also aus der Rich-tung, wo wir hin wollen. Zuerst treibt uns noch ein schwacher Hauch vom Ankerplatz um die Huk nach Süden, aber schon bald dümpeln wir in der prallen Sonne. Ohne Wind ist es unerträglich heiß. Abwechslung bringt nur das Um-die-Wette-Dümpeln mit einem kleineren Mono und einem größe-ren alten Frachtensegler. Manchmal holt er auf, manchmal lassen wir ihn stehen. Man kann die "Böen" und ihre Auswirkungen gut auf der spiegelglatten Wasseroberfläche beobachten. Ob wir heute noch einen Ankerplatz erreichen? Ein Strom nach Norden macht es zusätzlich schwer, die Brücke über den Großen Belt im Süden zu erreichen. Andere Segler haben längst den Motor angeworfen und passieren die Brücke und das Dampferfahrwasser unter Maschine. Aber mit Taktik und einigen Windhauchen schaffe ich es, nur mit den Segeln östlich vom Hauptfahrwasser unter die Brücke zu kommen. Aber dann wird es fast aussichtslos: Ein laues Lüftchen bringt uns etwa 2 - 2,5 kn Fahrt durchs Wasser, während der Nordstrom uns mit etwa der gleichen Geschwindigkeit wieder zurück setzt. So laufen wir mit einem Fischerzeichen um die Wette: Mal ist das ortsfeste Zeichen "schneller" und wir verlieren Boden, d.h. wir treiben wieder nach Norden zurück, mal ge-winnen wir etwas mehr Fahrt und machen Boden gut. Etwa eineinhalb Stunden treiben wir dieses Spiel. Wir essen dabei zu Abend und begeistern uns an dem roten Sonnenuntergang hinter der beeindruckenden Brücke. Dann setzt in der Dämmerung endlich eine leichte Brise ein und bringt uns zur Insel Egholm, an deren Westküste wir in Lee ankern.
1 4 30.07.2002 Egholm -> Klintholm
Endlich ist der im Wetterbericht angekündigte Wind da. Wir müssen zwar nach ESE durch das Smålands-Fahrwasser kreuzen, aber es geht voran. Bei etwa 18 kn Wind und mäßiger, aber steiler See von vielleicht 0,5 m kommt einiges Wasser über. Und das zeigt, dass das Boot immer noch oder wieder nicht dicht ist: Wie im letzten Jahr wird das Ölzeugschapp und die Konservenlast nass. Die Reparatur der Werft im Winter war wieder nicht erfolgreich und hat das seit Beginn bestehende Problem nun schon zum zweiten Male nicht behoben. Entsprechend groß ist meine Verärgerung. Wann endlich kann ich das Boot mängelfrei segeln?!
Davon abgesehen macht die Kreuz gegen den Strom Spaß, insbesondere auch, wenn wir unter Segeln mit 8 kn andere Segler, die unter Motor den direkten Weg laufen, aussegeln! Auch die Kreuz durch die Brücke ist für mich wieder eine Herausforderung, denn Motoren ist ja keine Kunst. Nach der zweiten Brücke brist es auf, die Kreuz wird langsam ungemütlich. Bei diesem Wind werde ich nicht ins offene Wasser hinausgehen, sondern irgendwo ankern, denke ich mir. Doch als wir am Ostende des Smålands-Fahrwassers bei Härbelle (?) angelangt sind und ich einen Ankerplatz ge-funden habe, lässt der Wind merklich nach. So tasten wir uns erst vorsichtig weiter im Fahrwasser nach Osten vor, denn es ist noch früh am Abend und umkehren und vor dem Wind zurücklaufen können wir ja jederzeit. Claudia hat sich gleich insgeheim gedacht, dass ich dann nicht mehr zurück segeln werde. Sie sagt es aber erst, als ich ihr eröffne, dass ich bei diesem Wind noch Strecke gut-machen und bis Klintholm segeln will. Und so kreuzen wir bei gerade noch erträglichem Seegang in den Abend. Es wird dann doch spät, bis wir westlich vom Hafen einen guten Ankerplatz finden.
1 5 31.07.2002 Klintholm -> Käseberga
Nun steht der lange Schlag zur schwedischen Südküste bevor. Der Wind hat am Morgen von NNE auf SE gedreht, so dass wir jetzt auf Legerwall liegen. Dazu brist er böig auf. Wir müssen also drin-gend den Ankerplatz verlassen. Bei Böen bis 18/20 kn hole ich den Anker ein und wir kreuzen aus der Bucht. Da die Böen recht heftig sind, muss ich kurz darauf das erste Reff einbinden, nachdem ich es geraden beim Setzen ausgeschüttet hatte (Wer nicht sehen will, muss arbeiten!). Einige an-dere Segler laufen unter Motor aus dem Hafen und nehmen gleichfalls Kurs auf Møns Klint. Wir kreuzen gegen einen groben Seegang an. Hoffentlich bleibt das nicht den ganzen Tag so, das wäre recht ungemütlich. Ein Stunde später schläft der Wind, wir dümpeln in toter See erbärm-lich, da wir zu nah an die Klippen herangelaufen sind. Lange dauert es, bis wir wieder einigermaßen das Boot auf Kurs halten können. Später kommt Wind auf und wir können gerade Trelleborg an Schwedens Südküste anliegen, das wir am Nachmittag erreichen. Wir runden den Leuchtturm und kreuzen weiter nach Osten. Nach der nächsten Huk schwingt sich eine weite Bucht nach Nordost-en bis Kæseberga, wo es die nächste Ankermöglichkeit für uns gibt. Doch bis dahin müssen wir kreuzen, was durch viele Stellnetze in der Bucht erschwert wird. Ich kann die Kreuzschläge gerade so zwi-schen die Stellnetze legen, dass wir immer am äußeren Ende eine Wende machen und wieder zum Ufer hin segeln. So erreichen wir erst eine Stunde nach Mitternacht endlich einen Sandstrand öst-lich von Kæseberga, wo wir ankern.
1 6 01.08.2002 Käseberga -> auf See
Früh machen wir uns dann wieder auf den Weg, obwohl die weite Bucht mit Sandstrand und Dü-nen zum Verweilen einlädt. Am Strand laufen Leute herum. Sie sind wohl vom nahe gelegenen Campingplatz. Am Ufer entlang segeln wir zur Huk und weiter in die See hinaus. Wieder müssen wir kreuzen. Nach mehreren kleineren Schlägen entschließe ich mich zu einem langen Schlag nach Norden, damit ich bei Flaute vielleicht die Chance habe, die Küste noch zum Ankern zu erreichen. Gegen Abend stehen wir südlich von Karlshamn. Inzwischen haben wir beschlossen, diese Nacht durchzusegeln, um etwas Zeit bzw. Strecke gegenüber unserer Planung aufzuholen. Claudia über-nimmt die Wache bis Mitternacht.
1 7 02.08.2002 auf See -> Svartingskär
Wir stehen nun kurz vor Utklippan und der Durchfahrt nördlich dieser Schärengruppe. Es ist eine klare Nacht, die Leuchtfeuer sind sehr gut zu sehen. Wieder ist diese Nachtfahrt für Claudia ein Er-lebnis, auch wenn es nicht so lauschig wie beim letzten Male ist. Nachdem wir die Durchfahrt zwi-schen den Leuchtfeuern hinter uns gelassen haben, verholt sie sich in die Koje. Da wir aber nun ge-gen einen groben Seegang aus NE ankämpfen, findet sie keine Ruhe in der Koje und bringt kein Auge zu. Wild stampfen wir gegen die See an, sie fährt in ihrer Koje im Vorschiff Aufzug - auf und ab. Am Morgen lassen Wind und See etwas nach und sie findet eine Mütze voll Schlaf. Ich im Cockpit sehe aber nichts mehr, denn sehr dichter Seenebel hüllt uns ein. Wir stehen südlich der Südspitze Ölands und "tappen" blind im Nebel umher. Hoffentlich kommt uns kein Dampfer in die Quere. Endlich heben sich die Schleier und geben - zunächst nur für Augenblicke - den Blick auf den Leuchtturm frei. Weiter geht es nun dicht unter Land im Schutz der Küste nach Norden. Als wir das letzte Mal vor zwei Jahren hier waren, dümpelten wir einen Tag in der Flaute hier herum. Nun geht es etwas flotter, allerdings macht der Wind hin und wieder Pausen. Vor Kalmar setzt er dann wieder heftig ein und wir kreuzen ohne Motor durch den Kalmarsund und unter der Brücke hin-durch. Ohne Seegang macht es richtig Spaß, das enge Fahrwasser gegen den Strom bei 5 Bft nach Norden zu kreuzen. Bis auf eine Yacht, die wir bald ein- und überholen, motoren alle anderen Schiffe. Die Navigation für die Kreuzschläge in dem von vielen Riffen und Untiefen eingefassten Fahrwasser und gegen den Strom ist anspruchsvoll und würde keinen Fehler verzeihen. Endlich bin ich mal wieder seglerisch ausgelastet.
Nachdem wir die Brücke passiert haben, wird der Seegang höher und steiler. Schon bald ist es recht ungemütlich und kalt. Ich beginne über den Ankerplatz nachzudenken, wie weit sollen wir noch segeln? Wo kann man ankern? Alle anderen Segler - ob sie nun mit oder gegen den Wind fahren - laufen unter Motor. Trotzdem sind wir auf der Kreuz noch schneller als die wild stampfen-den und rollenden Boote. Sie tun uns richtig leid, obwohl auch wir inzwischen ziemlich frieren und nass sind. Aber noch macht es uns Spaß. So arbeiten wir uns voran. Relativ früh versuchen wir dann einen Ankerplatz südlich der Svartingskær (57°02'2 N 16°36'5 E) und bleiben dort. Wir ge-nießen die Ruhe in Lee der Insel, den Blick auf die unruhige See. Sehr viele Vögel sitzen in den völ-lig kahlen Bäumen des Fågelskydsområde und auf den Klippen. Ein große Gruppe von Schwänen sucht im Lee Schutz.
1 8 03.08.2002 Svartingskär -> Krokö
Gut ausgeschlafen und gestärkt machen wir uns morgens wieder auf den Weg weiter nach Norden. Immer noch müssen wir kreuzen. Zuerst laufen wir mit sehr langen Schlägen wieder bis an die Küste von Öland und zurück an den Schärengürtel. Später am Nachmittag machen wir kurze Schläge, um uns nicht zu weit vom Schärengürtel und seinen möglichen Ankerplätzen für die Nacht zu entfernen. Nach einiger Suche fällt meine Wahl für die Nacht auf die Schären um Sparø und Krokø. Durch ein enges Fahrwasser mit einem heiklen Haken laufen wir zwischen zahlreichen Riffen und Schären hindurch auf die Inseln zu. Laut dem Führer soll es hier viele schöne Ankerplätze geben und auch oft überfüllt sein. Und wirklich, diese bewaldeten Schären sind traumhaft schön. Und in jeder Bucht liegt mindestens ein Boot. Ich will in die Südbucht von Krokø. Wir sehen zwar schon von Weitem einige Masten über den niedrigen Wald und die Klippen ragen, aber die Bucht ist wirklich außerordentlich schön, so dass wir dann dort bleiben. Zuerst aber gilt es die Einfahrt zu finden zwischen einigen Felsen, die bis knapp unter den Wasserspiegel reichen. Mit aufgeholtem Schwert gleiten wir mit inzwischen kaum noch Wind lautlos und ganz langsam in die Bucht, sehen aus der Nähe die gefährlichen Unterwasserklippen, die sich nur gelegentlich bei einer Dünungswelle im Wasserspiegel abzeichnen. Es klappt alles prima. In der inneren Bucht liegen nur flach gehende Motorboote. Hier herrscht ein sommerlicher, flauer Abend. Die Leute sitzen auf den Klippen, an Tischen und um Grillfeuer. Sie schauen uns zu, wie ich mit mehreren Segelmanövern wie im Zeit-lupentempo unseren Ankerplatz ziemlich in der Mitte der Bucht suche, den Anker mit Ankerboje werfe und die Segel einhole. Einige Leute haben sich am Ufer bereit gemacht, unsere Landleine anzunehmen, doch ich bleibe frei in der Mitte der Bucht, um auch ohne fremde Hilfe morgen wieder auslaufen zu können. Mit griechischem Salat, Rotwein, Salami und noch genießbarem Brot genies-sen wir einen schönen „griechischen“ Sommerabend. Das hätten wir uns noch heute Nachmittag nicht träumen lassen.
1 9 04.08.2002 Krokö -> Schäre
Wenn alles gut geht, wollen wir heute Abend den Göta-Kanal erreichen. Darum sind wir schon früh auf den Beinen. Als wir den Anker hoch hieven, wecken wir in der morgendlichen Stille offenbar einige Nachbarn auf den Motorbooten. Interessiert schauen sie zu, wie wir uns nur mit der Genua vorsichtig zwischen den Riffen hindurch aus der Bucht "schleichen". Draußen setzen wir dann das Großsegel und laufen zu dem engen Kanal westlich von Sparø. Leider steht der Wind im Kanal ge-nau gegenan, so dass ich nicht umhin kann, den Motor anzuwerfen. Ich benutze ihn aber nur so-weit dies unumgänglich ist. Dann segeln wir wieder durch eine wunderschöne Schärenlandschaft mit vielen Buchten. Wir beschließen, dass wir in den nächsten Sommern einmal nur hier einen fau-len Segel-, bzw. Ankertörn unternehmen wollen, weil es uns so gut gefällt. Dann müssen wir aber wieder kreuzen. Ein weiter Schlag hinaus in die See bringt uns genügend Raum für ein langes Bein nach Norden. Fast den ganzen Tag segeln wir nun so bei 4-5 Bft am Wind, genießen die Sonne und sinnieren dem rauschenden Wasser hinterher. Es ist faszinierend. So schön kann Segeln sein! Am späten Nachmittag erreichen wir die äußeren Schären des Fahrwassers ins Land hinein zum Göta-Kanal. Viele Boote sind auf einmal um uns herum, sie laufen am Sonntagabend nach Norden wohl in Richtung Norköping. Bald finden wir uns wieder allein inmitten einer zauberhaften Schären-welt. Kurz entschlossen beenden wir diesen Traumtag in einer ebenso schönen kleinen Bucht, die wir am Wege finden. Mit einem guten Wein lassen wir den Tag ausklingen und betrachten den er-strahlenden Sternenhimmel.
1 10 05.08.2002 Schäre -> Mem
Bis Mittag wollen wir Mem, den Beginn des Göta-Kanals erreichen. Aber der Weg dorthin führt durch eine beeindruckende Seen- und Inselwelt, so dass wir mehrfach bleiben wollen. Aber dann würde es zeitlich für Claudia eng. So versprechen wir uns wieder, zurückzukommen, und zwar mit viel mehr Zeit.
In Mem endet unsere Anreise.
1 Summen Etappe 1 544,9 sm 124,3 h
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Etappe 2: Göta- & Trollhättankanal -> Göteborg
2 0 05.08.2002 Mem -> Kanalbrücke Loddby
Es beginnt unser eigentliches Reiseziel, der Göta-Kanal. Zunächst legen wir an. Ein Passant an der Pier meint, dass wir wohl nicht durch den Kanal passen, da wir zu breit seien. Erstaunt beobachtet er dann, wie schmal der Trimaran sich zusammenfalten kann. Allerdings wird dieses Klappen zu einem Hindernislauf, denn es klappt nicht reibungslos. Durch die Verstärkung der im letzten Jahr gebrochenen Gelenkbolzen und Gelenkbeschläge haben sich einige Maße verändert, was einen größeren Widerstand zur Folge hat, den ich mit mehr Kraft an den Winschen überwinden muss. Dabei platzt etwas Geelcoat an den Auflagern für die angeklappteen Ausleger ab. Wieder hat die Werft offensichtlich nicht überprüft, ob ihre Verstärkungen der Konstruktion auch einwandfrei funktionieren, vermute ich. Während der folgenden Kanalfahrt muss ich an den Schleusen immer wieder ein- und ausklappen. Jedes Mal schimpfe ich, wenn ich die neuen Widerstände über-winden muss. Ich verstehe die Werft nicht.
Endlich habe ich die Ausleger in ihre Ruheposition bringen können. Dann geht es los. Es geht so schnell, dass wir gar keine Zeit haben, viel nachzudenken und zu zögern: Im Handumdrehen sind wir in der Schleuse, die Tore schließen sich, und schon rauscht das Wasser vorne herein. Wir lie-gen auf der guten Talseite an Steuerbord, haben alle Leinen nach den Tipps im Handbuch vorbere-itet. So geht es ganz einfach und ohne Komplikationen. Ist ja gar nichts! stellen wir fest und werfen unsere anfänglichen Sorgen über Bord. Wenn man richtig vor-be-reitet ist, ist es wirklich ein Kinder-spiel, das man allerdings in diesen Schleusen mindestens zu zweit spielen muss.
Im Laufe des Kanals entwickeln wir unsere eigene Technik: Ich steuere peri an die Pier vor der Schleuse, Claudia springt an Land mit den beiden Leinen, die entsprechend lang gesteckt sind. Beide Leinen haben ein Auge. Zuerst legt sie das Auge der Achterleine über den passenden Ring und klappt diesen über die Leine. So kann sie später den Ring einfach zurückklappen, und die Leine ist wieder frei. Dann läuft sie mit dem einlaufenden Boot mit nach vorne und legt auch die Vorleine in gleicher Weise über einen passenden Ring. Sobald die Leinen fest sind, hole ich sie beide über jeweils eine Winsch willig dicht, mit der Achterleine stoppe ich das Boot ein. Abwei-chend von den Empfehlungen fahre ich sowohl die Vorleine wie auch die Achterleine über eine Winsch. Damit habe ich bessere Möglichkeiten, das Boot in der Schleuse mit dem steigenden Wasserspiegel auszutrimmen, als wenn ich nur die Achterleine über eine Winsch dicht holen würde. Nach dem Hinaufschleusen gibt Claudia die Leinen los und kommt gleich in der Schleuse wieder an Bord zum Abhalten. Wir bekommen bald so viel Übung, dass das Schleusen für uns zur Routine wird. An manchen Schleusen stehen viele Zuschauer. Nicht nur einmal bekommt Claudia Kompli-mente, wie gut es bei uns klappt: "Professionell".
Nach drei Schleusen folgt zunächst das erste Kanalstück nach Söderköping. Es ist ein ganz unge-wohntes Gefühl, unter Motor so dicht zwischen grünen Bäumen und Sträuchern hindurch zu fah-ren. Wir sind fasziniert.
In Söderköping wollen wir einklarieren, denn in Mem war dies nicht möglich, man hatte uns dort nach Söderköping verwiesen. Auch im Yachtpilot steht, dass man in Söderköping einklarieren kön-ne. Es ist ja unser erster schwedischer Hafen, den wir anlaufen. Aber Claudia findet keine Amtsstu-be, die uns einklarieren kann. Weder Zoll, noch Polizei, noch Küstenwache sind vor Ort. Im Frem-denverkehrsamt sagt man uns, das sei nicht mehr nötig, "wegen der EU". Na ja, dann müssen wir halt so weiterfahren. Wir schlecken noch ein zwar ziemlich teures Eis in der Tüte und machen uns dann weiter auf den Weg. Wir wollen noch möglichst weit kommen.
Die erste Brücke öffnet sich wie von Geisterhand als wir ankommen: Der Kanal wird über Fernseh-kameras überwacht, und die Leitzentrale weiß so immer, wann wo welches Boot fährt und kann auf Grund der empfohlenen und maximal erlaubten Geschwindigkeit von 5 kn abschätzen, wann ein Boot wo ankommen wird. Meist öffnen sich die Brücken dann gerade passend. nur selten müssen wir warten. Auch in den Schleusen geht es im Allgemeinen ganz zügig voran. Aber jetzt am ersten Tag haben wir Pech: An der nächsten Schleuse kommen wir alleine an. Der Schleusenwärter hört aber über Funk, dass eine weitere Yacht in 10 Minuten komme, so müssen wir warten. In eine Schleuse passen zwei Boote hintereinander. Diese Yacht kommt endlich um die Kurve, aber sie legt an einem Anleger vor der Schleuse für die Nacht an. Wir haben umsonst gewartet. Das wäre nicht sonderlich schlimm gewesen, wenn wir deswegen nicht erst wenige Minuten nach 18:00 Uhr an der nächsten Brücke ankämen: Denn auf eines muss man sich einstellen: Der Betrieb von Schleusen und Brücken findet nur von 09:00 - 18:00 Uhr statt, und zwar auf die Sekunde genau und ohne Rücksicht auf die Situationen. Schleusenvorgänge werden auch nur dann begonnen, wenn sie noch vor 18:00 Uhr begonnen werden können. Falls nicht, dann heißt es bis zum näch-sten Morgen zu warten. So stehen wir nun vor einer geschlossenen Brücke. Dabei wäre etwa eine Meile weiter ein wunderschöner Platz zum Übernachten gewesen. Nun aber müssen wir an dem Steg vor der Schleuse festmachen: Nicht weit davon führt eine viel befahrene Landstraße vorbei, deren Lärm uns sehr stört. Am schlimmsten aber ist die "gute Landluft", die von einem nahe gele-genen Bauernhof zu uns herüberweht. Kuhstall geht ja noch, aber Schweinegülle - igitt. Unser er-ster Abend und die erste Nacht sind daher nicht gerade nach unserem Geschmack - oder tref-fender Geruch - und unserer Vorstellung von Ruhe und frischer Luft.
2 1 06.08.2002 Kanalbrücke Loddby -> RixenSee
Pünktlich um 8 Uhr öffnet die Brücke. Wir stehen schon in den Startlöchern und fahren weiter. Bei ruhigem, sonnigen Sommerwetter fahren wir durch den Kanal. Immer noch zieht uns diese unge-wohnte Art zu "segeln" in ihren Bann. Im Rixensee liegt eine längere Strecke vor uns, wo wir auch segeln könnten. So klappe ich mühsam die Ausleger wieder aus, und wir laufen zuerst nur unter Genua und später unter Gennaker vor dem schwachen Wind in das ruhige Wasser des Sees hin-aus. Zum Baden lassen wir uns zeitweise treiben. Eine Badeleine mit Boje schwimmt achteraus. Wir genießen das warme Wasser von 22°C und nutzen es zur ausgiebigen Körperpflege, um den Duft der letzten 10 Tage loszuwerden. Außerdem nutze ich den ruhigen Tag, um die Bilge im Spindschrank und die Konservenlast wieder trocken zu legen.
Vor der Halbinsel Sveden gegenüber von Berg ankern wir. Da der Anker trotz des Windes von etwa 3 Bft slipt, muss ich noch einmal verlegen. Es ist ein ruhiger Abend. Im Wald am Ufer, das nur etwa 100 m entfernt ist, laufen Ziegen umher. Auch Kühe erkennen wir zwischen den Bäumen. Das Wasser ist ruhig. Zeit zum Angeln. Ich übe das Auswerfen mit der Angelrute: Kein Meister fällt vom Himmel. Claudia amüsiert sich, wenn der Haken überall hinfliegt, nur nicht dorthin, wo er hin soll. Des öfteren muss ich den widerborstigen Haken aus meinem Hemd oder anderen Textilien heraus-operieren. Dass Angeln südlich von Norwegen so schwierig ist, hatte ich nicht gedacht. Schließlich gebe ich es auf und stecke die Angelrute in ihre Halterung am Heckkorb und den Haken ins Was-ser. Als ich sie später etwas plötzlich mit einem Ruck nach oben ziehe, staune ich: Ein Fisch hängt am Haken. Allerdings hat er nicht angebissen, sondern ich habe ihn beim Ruck mit dem Haken auf-gespießt, denn der Haken sitzt seitlich neben dem Kiemendeckel. Es ist ein etwa 15 - 20 cm großer Barsch. Da er doch recht klein ist im Vergleich zu den Dorschen und Köhlern, die wir letztes Jahr auf den Lofoten geangelt hatten, und da wir nicht sicher sind, was für eine Art von Fisch es ist (erst später finden wir das heraus), beschließen wir, ihn wieder ins Wasser zu werfen. So müssen wir zum Dinner auf Fischkonserven zurückgreifen. Mit Wein und anderen Leckereien genießen wir den Abend - bis die Mücken kommen. Während ich eine Motorphobie habe, plagt sich Claudia mit einer Mückenphobie herum. Kaum ertönt das feine Summen, ist sie weg und unter Deck. Dort haben wir den Salon und das Vorschiff mit Fliegengitterstoff in den Luken und im Niedergang mückendicht abgeschottet.
2 2 07.08.2002 RixenSee -> Lundaudden, Vättern-See
Am Morgen ist das ganze Deck von Tausenden von Leichen übersät. Es sind die Leichen von Mücken oder einer Art kleiner Fliegen, die im Tau des Morgens kleben. Unter Motor laufen wir über spiegelglattes Wasser hinüber nach Berg, wo eine große Schleusentreppe auf uns wartet. Doch wir müssen etwa eine Stunde warten, da erst der Gegenverkehr herunter zum See geschleust wird, bevor wir den Weg bergauf antreten können. In dieser Wartzeit besichtigen wir den typischen Göta-Kanal-Dampfer, der hier für die Nacht festgemacht hatte und dann ausläuft. Er sieht älter (vor dem 2 Weltkrieg gebaut?) und richtig gemütlich aus. Es muss eine schöne Reise mit so einem Dampfer sein, von Stockholm nach Göteborg oder umgekehrt. Auch die Passagiere machen auf uns einen faulen und zufriedenen Eindruck. Wir haben genügend Zeit, um beim Schleusen eines Motorboo-tes zuzusehen, das den Berg herunterkommt. Dann sind wir dran. Wir haben die Schleuse ganz für uns allein und legen uns ganz nach hinten vor die talseitigen Tore, um möglichst wenig von den Strudeln des vorne einströmenden Wassers gepackt zu werden. Vorne am bergseitigen Schleusen-tor wirbelt es ganz ordentlich, und an manchen Schleusen haben die vorderen Boote doch einige Mühe, ihr Boot im Griff zu behalten. Gut Fendern ist oberstes Gebot. Vor den letzten drei Schleu-sen ist eine Ausweichstelle, wo wir während unserer Wartezeit schnell noch frisches Wasser bun-kern. Von oben kommt uns dann ein Lastschiff älteren Baujahrs entgegen, das gerade so eben in die Schleusen passt. Nur wenige Zentimeter Spielraum bleiben zwischen Bordwand und Steinwand der Schleuse. Oben, nach der letzten Schleuse, klappt eine alte Klappbrücke auf und wir setzen unseren Weg durch den Kanal fort. Allmählich gewöhnen wir uns daran, der Kanal und seine Schleusen sind zur Routine geworden. Am schönsten finden wir die Seen, durch die der Kanal führt. Sie sind alle einen längeren Aufenthalt wert. Wer also eine solche Reise plant, sollte sich für jeden See mindestens einen Tag Zeit einplanen.
Im Kanal dagegen beeilen wir uns, damit wir bis zum Abend noch Motala am Vätternsee erreichen. Wir wollen im See übernachten. Mit etwas Glück und Nervosität (ob wir es schaffen) erreichen wir die letzte Schleuse gerade so, dass wir noch vor 18 Uhr geschleust werden. Da man uns noch einmal auf ein anderes Boot warten ließ, waren wir zum Schluss nicht sicher, ob es klappen würde. Motala war neben Sjøtorp am Vänernsee ein Zentrum für den Kanalbau. Später siedelte sich dort vor allem Industrie der Elektrotechnik und Elektronik an. Wir wollen noch einkaufen gehen, stellen aber fest, dass hier wohl um 18 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden: Die Stadt erscheint uns wie ausgestorben. Schließlich finden wir am Hauptplatz noch einen Supermarkt, der erst um 19:00 Uhr schließt. So kommen wir noch zu frischem Obst, Gemüse und Brot - und Speiseeis zum Nachtisch (war prima).
Angesichts der Preise verkneifen wir uns den Besuch des Automuseums, davon haben wir zu Hau-se genug gesehen. Wir klappen wieder aus (ächz, stöhn, schimpf und fluch) und laufen unter Motor hinaus zum See: Es herrscht totale Flaute. Östlich der Halbinsel Lundaudden finden wir einen schö-nen Platz für die Nacht über 2,5 m tiefem Sand. Als wir uns an der Abendstimmung nach der unter-gegangenen Sonne erfreuen, erhebt sich auf einmal rund um uns herum eine heftige Unruhe: Ein riesiger Schwarm von Hunderten von Wildgänsen fliegen ein, umkreisen die Bucht, zerteilen sich in viele Gruppen, fliegen dicht über dem Wasser an uns vorbei und wassern. Überall sind Wildgänse. Und sie machen ein höllisches Geschnatter. Wir haben so etwas noch nie erlebt und sind platt, überwältigt. Vor lauter Aufregung bediene ich unsere Videokamera falsch, so dass von dem einma-ligen Spektakel später zu Hause nichts zu sehen ist. Es ist Wahnsinn, wie diese Vögel fliegen, wie sie landen, wie sie starten, wie sie schnattern. Wo man hin sieht, sind Gänse. Ganz allmählich beru-higen sie sich, und es wird wieder ruhig. Gelegentlich schreien einige wieder, starten und fliegen an eine andere Stelle in der Bucht. Manche schwimmen in Gruppen quer über die Bucht zum See und dabei versichern sie sich offenbar ständig mit Geschnatter der gegenseitigen Unterstützung. Sie scheinen sich entweder zu unterhalten oder die Positionen über größere Entfernungen aus zu tau-schen. Dieser Abend ist einer der beeindruckendsten der ganzen Reise!
Wir sitzen noch lange im Cockpit und sehen den Gänsen zu. Zwischendurch essen wir selbst ein südliches Abendbrot mit Wein, griechischem Salat, Salami, Käse und frischem Brot. Und dazu schimmert der Himmel inzwischen in vielen abgestuften Blautönen bis in das Schwarzblau der Nacht, die von Sternen und Satteliten aufgehellt wird.
2 3 08.08.2002 Lundaudden, Vättern-See -> Sandön, Vättern-See
Am Morgen schwimmen wieder die Gänse um uns in Gruppen herum. Sie scheinen sich zu sam-meln. Später sehen wir einige, aber nicht alle, in der Ferne starten und davon ziehen. Es ist faszinie-rend, ihnen beim Fliegen zuzusehen.
Ganz nah an unser Boot kommt eine Gruppe anderer Wasservögel geschwommen. Es ist wohl eine Haubentaucher-Mama mit etwa 14 Küken. Wie auf Kommando tauchen sie alle fast gleich-zeitig hinab und kommen nach einiger Zeit nacheinander wieder zum Vorschein. Es ist putzig an-zusehen, wie sie beim Abtauchen sich kopfüber ins Wasser stürzen. Langsam wandern sie tau-chend an uns vorbei.
Dann machen auch wir uns auf den Weg. Mit mäßigem Wind laufen wir nach Vadestenas, wo ein mächtiges Schloss steht. Der Yachthafen befindet sich im Burggraben. Unter Genua laufen wir vor dem Wind in den Hafen, nur die letzten Meter zum Anlegen benutze ich den Motor. Wir finden für einige Stunden einen Liegeplatz direkt vor der Hauptfassade des mächtigen Hauptbaus. Der Ha-fenmeister ist freundlich und lädt derweil unseren Akku für die Videokamera.
Das Bauwerk beeindruckt durch seine Masse. In der rechteckigen Anlage steht der Hauptbau an der Seeseite, während die übrigen drei Seiten der Anlage von zwei gewaltige Rundtürmen gesi-chert werden. Innen hinter den hohen Wällen befindet sich ein Hof. Im Burgraben liegen viele Boo-te, davor erstrecken sich weite Parkflächen, voll von Touristen. Zwei Holzgebäude, wohl ehemalige Speicher, in denen sich jetzt Souvenirläden befinden, scheinen mir die interessantesten originalen Gebäude zu sein. Die Zugbrücke dagegen ist rekonstruiert und vor allem für die vielen umher-schwirrenden Touristen ein willkommenes Fotomotiv. Auch in der Stadt wimmelt es von Touristen. Wir versorgen uns noch mit einigem frischen Proviant und noch mal Eis. Dann machen wir uns wie-der auf den Weg in den flauen See.
Es geht quälend langsam voran. Schließlich werfen wir da, wo wir gerade sind, den Anker, denn es macht keinen Sinn, nur noch hin und her zu treiben, zumal wir recht nahe an einer Insel dümpeln, wo auch einige Steine auf unvorsichtige Skipper lauern. Statt die Dümpelei zu überwachen, ma-chen wir uns einen gemütlichen Abend. Rundum stehen einige Gewitter am Himmel, die aber nicht gefährlich scheinen. Das Wasser ist sehr klar, so dass wir gut den Grund beobachten können und den Anker gezielt auf nicht bewachsenen Sand dirigieren können.
2 4 09.08.2002 Sandön, Vättern-See -> Karlsborg
Dies sollte ein ereignisreicher Tag werden. Aber ich will der Reihe nach berichten.
Zunächst segeln wir mit mäßigem Wind nach Norden. Vorbei an einigen Inseln, auf denen total kah-le große Bäume stehen. Sie scheinen von den Kormoranen als Ruheplätze benutzt zu werden. Der scharfe Dung der Vögel lässt die Bäume absterben. Eigenartig heben sich die Baumgerippe gegen den hellen Himmel ab. Am Seeufer entlang segeln wir nach Norden. Die Ufer sind dicht bewaldet, einige schöne Buchten führen ins Land hinein. Am Nordende des Sees frischt der Wind etwas böig auf. Wie wohl die Schären hier aussehen? Stück für Stück segeln wir weiter immer tiefer zwischen die Inseln und schließlich in den sehr engen Fjord, der nach Askersund führt, hinein, obwohl wir ur-sprünglich ja eigentlich schon längst hätten umkehren wollen. Aber die Neugierde treibt an, und es macht mir Spaß, das enge Fahrwasser hinauf nach Norden zu kreuzen. Zurück sollte es ja dann einfacher gehen. In Askerssund, wo es nicht mehr weiter geht, kehren wir um - und der Wind dreht auch mit. So kreuzen wir auch wieder zurück! Zum Glück ist das Wasser relativ glatt, so dass es gut voran geht. An einem für diese Gegend sicher sehr prächtigen Schloss steht ein Paar auf der Terrasse und schaut uns gebannt zu, wie wir das Fahrwasser in voller Breite zum Kreuzen aus-nutzen. Glücklicherweise dreht der Wind an einer Engstelle so, dass wir gut hindurchsegeln kön-nen. Dann begleiten uns ausgedehnte Schilfgürtel, bis wir wieder zurück in den Schären sind. Wir wollen den Rückweg durch die östlichen Schären nehmen und segeln inzwischen hoch am Wind nach Süden. Die Wassertiefen betragen so etwa 3 - 6 m, einmal kommen wir sehr nah an einem gerade überspülten Felsen vorbei, der deutlich mit einer Bake bezeichnet ist und auch in der Karte eingetragen ist. Weiter geht es mit etwa 6 kn etwas außerhalb der 3-m-Tiefenlinie an den Inseln entlang nach Süden.
Ich bin gerade auf dem Weg nach unten in den Salon, um die Karte zu studieren, als es einen ge-waltigen Ruck und Krach gibt. Es rumpelt und knirscht, ich weiß erst gar nicht was los ist. Es dau-ert ewig. Dann herrscht Ruhe, peri bewegt sich nicht mehr, nur das Wasser plätschert. Wir sehen uns erschrocken an. Was war das? Wir stürzen beide an Deck. peri liegt schief, der Bug zeigt nach oben, der Backbord Schwimmer schwebt über dem Wasser. Ich brauche etwas, um zu begreifen, was geschehen ist: Wir sind mit 6 kn auf ein Riff gelaufen. Ich bin fassungslos. In der Karte habe ich das Wasser vor uns frei gesehen, die 3 m-Linie, hinter der es flach und steinig ist, haben wir laut Echolot nie berührt, geschweige denn übersegelt. Auch der Flachwasseralarm, der auf 3 m einge-stellt war, hat nicht angeschlagen. Wir bergen sofort die Segel, in denen noch voll der Wind steht. Dann versuche ich die Situation zu verstehen. Ich stelle die Schäden fest: Es steht kein Wasser im Schiff. Im Boot fällt mir keine Beschädigung auf. Ich steige ins Wasser, um die Lage zu erkunden: Der Bug hat etwa 30 cm unterhalb der Wasserlinie ein Loch, wo die Außenhaut aufgeschlagen worden ist. Das Loch scheint aber nur in der äußeren GFK-Schale und dem Sandwichkern zu sein, nicht jedoch durch die zweite, innere GFK-Schale nach innen durch-geschlagen worden zu sein. Das beruhigt etwas. Dann sehe ich, was geschehen ist: peri hat sich durch den Schwung der Fahrt auf einen einzeln stehenden Felsen hinaufgeschoben, der sich wie ein Matterhorn aus dem rundum etwa 3,70 m tiefen Wasser bis etwa 30 cm unter die Wasserober-fläche erhebt. Der Fels hat an seinem Gipfel eine V-förmige Einkerbung, die peri genau getroffen hat. Diese Kerbe wirkte wie eine Führung, so dass peri nicht seitlich abrutschen konnte, sondern sich auf den Felsen hinaufschob. Peri liegt jetzt nur mit dem Hauptrumpf an einer Stelle etwa in der Höhe des Mastes und Kiellinie auf dem Felsen, der Bug und Bb-Schwimmer ragen in die Höhe, Heck und Stb-Schwimmer sind im Wasser. Ich bin fassungslos. Was tun? Nochmals prüfe ich, ob Wasser eindringt: negativ. Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf. Da das Boot dicht zu sein scheint, aber äußerst "unge-sund" auf dem Felsen liegt, versuche ich es im Wasser herunter zu schieben, was aber nicht geht. Wie kommen wir hier weg? Hilfe holen?
Zunächst nehme ich den Fotoapparat und dokumentiere unsere missliche Lage.
Dann sehe ich, dass das Ufer nicht weit ist. Wir haben 4 mal 50 m Leine an Bord, die ich in den vergangenen zwei Jahren noch nie gebraucht hatte. Dies müsste reichen. Sie kommt nun zum Ein-satz. Ich schwimme mit einer Leine zum Ufer und binde sie um einen starken Baum, der am Ufer steht. Zurück an Bord lege ich diese Leine um die große Winsch im Cockpit und ziehe an. Erst rührt sich peri nicht. Vorsichtig erhöhe ich den Zug. Die Leine ist straff wie eine Gitarrenseite gespannt, sie zirpt. Endlich, ein kleiner Ruck und dann rutscht peri mit weiterer Unterstützung der Winsch wie-der zurück ins Wasser. Wir atmen auf, wir sind wieder flott. Wir werfen den Motor an und ankern knapp neben dem Felsen. Nochmals prüfe ich, ob Wasser eindringt: In der Bilge steht jetzt etwas mehr Wasser als normal. Doch ein Leck? Ich lenze die Salonbilge. Dann klaren wir auf. Mit dem Fo-to dokumentieren wir die Tiefe des Felsens, dessen Spitze sich etwa 30 cm unter der Wasserober-fläche befindet. Ich versuche auf dem Felsen zu stehen, was aber nicht richtig gelingt, da er sehr glitschig ist. Das Wasser reicht mir nicht bis zum Knie. An den V-förmigen Kanten sehe ich, dass einige Stellen ganz weiß sind: Hier hat peri die Algen abgekratzt, der V-Einschnitt bestand also und ist nicht durch den Aufprall entstanden. Peri hat ihn offenbar genau "getroffen".
Vor Ort war ich der Ansicht, dass es sich um einen Unterwasserfelsen handelt, der nicht in der Kar-te eingetragen war. Heut nach genauerer Analyse der Fotos besteht auch die Möglichkeit, dass das winzige Inselchen in der Karte (auf den Fotos mit A bezeichnet) nicht ein Inselchen innerhalb der 3 -m-Linie, sondern ein Unterwasserstein außerhalb der 3-m-Linie ist, auf den wir aufgebrummt wa-ren. Die Karte war also so oder so falsch. Ob ich zu knapp am Ufer gesegelt bin? Im letzten Jahr bin ich 4000 sm in den inneren Fahrwassern in Norwegen gesegelt, ohne dass ich jemals ein derar-tiges Problem hatte. Anfangs war ich sehr vorsichtig und gewöhnte mich nur zögerlich daran, dass die Fahrwasser oft bis auf wenige Meter zum Greifen nahe an Riffe und Felsen heranführten. Es bleibt einem gar nichts anderes übrig, als den Seezeichen und der Karte zu vertrauen. Und so habe ich mich an diese "Enge" gewöhnt, ja auch ein gewisses Gespür dafür entwickelt. Die vorliegende Situation hatte ich aber überhaupt nicht als unklar oder bedrohlich empfunden. Nachdem ich mir anfangs selbst Vorwürfe gemacht habe bin ich nunmehr der Ansicht, dass ich keinen Fehler ge-macht habe: Ich würde unter den damaligen Gegebenheiten von karte, Wind und Wetter, und Augenschein wieder so segeln.
Zunächst machte mir dieser Vorfall aber schwer zu schaffen, er hatte mein Selbstvertrauen in meine Navigation sehr schwer erschüttert. Und war das Boot OK? Können wir weitersegeln?.
Nachdem wir uns von dem Schreck soweit erholt hatten, dass wir weiterfahren konnten, laufen wir unter Motor in die nächste passende Bucht. Wir wollen dort ankern und in Ruhe das Boot überprü-fen. Ich stelle fest, dass aus dem Durchbruch des Fäkalienschlauches durch das vorderste Schott im Vorschiff ein feines Rinnsal kommt: Offenbar dringt durch das Loch Wasser ein und füllt den Raum vor dem Schott, die Dichtung ist nicht dicht und so findet das Wasser seinen Weg ins Boot, sammelt sich in der Bilge. Leider kann ich den Raum vor dem Schott nicht einsehen. Ich sehe auch, dass die Bilge nun fast voll ist: Wir machen deutlich Wasser. Wie viel? Ich lenze und stoppe die Zeit: 1,5 Minuten läuft die Lenzpumpe, bis sie schlürft. In einer Stunde dringt soviel Wasser ein, dass die Pumpe 1,5 Minuten zum Lenzen braucht. Wenn es nicht schlimmer wird, müssten wir so lenzend weiter kommen. Wohin? Der nächste Hafen ist Karlsborg, wo der Kanal zum Vänernsee beginnt. Bis dorthin sind es etwa 15 sm. Heute noch zu Schleusen ist ausgeschlossen. Aber viel-leicht kann ich dort irgendetwas reparieren. So verschnaufen wir, stärken unsere Nerven mit Ku-chen und Kakao, betrachten die von dichtem Schilf eingerahmte Bucht, die viel zu schön ist, um gleich wieder weiterzufahren. Jetzt motoren wir, denn Segeln traue ich mich noch nicht. Erst muss ich sehen, ob das Boot in Ordnung ist. So fahren wir zunächst sehr langsam, nur etwa 2 kn, um zu sehen, ob Wasser ins Boot eindringt, nach einer halben Stunde sehen wir, dass die Bilge etwa halb voll ist. Wir lenzen. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Bilge füllt, hat sich nicht geändert: einmal Bilge voll in einer Stunde, dann 1,5 Minuten lenzen. So sollte es gehen. Dann stellen wir fest, dass sich die Eindringgeschwindigkeit verlangsamt. Das macht Mut. Ich setze Segel und vorsichtig se-geln wir, weiter den Wasserspiegel in der Bilge beobachtend: Die Geschwindigkeit, mit der der Wasserspiegel steigt, nimmt weiter ab. Unsere Zuversicht erklimmt neue, fast euphorische Höhen. Wir sind froh. So können wir segeln und erreichen sicherlich den nächsten Hafen. Langsam wächst unser Zutrauen in das Boot wieder. Der Wind nimmt am Abend zu, Gewitter ziehen auf. Das gefällt uns gar nicht. Wir haben es nicht mehr weit bis Karlsborg. Bei 5 Bft kreuzen wir dann nach Karls-borg hinein. Peri segelt wie eh und je, der Wassereinbruch hält sich weiter in Grenzen.
Wir finden einen Platz am Anleger nicht weit von der Straßenbrücke. Wieder checken wir die Bilge und sind beruhigt: es hat sich nicht verschlimmert. Aber wir müssen nachts mindestens alle 2 Stun-den aufstehen und die Bilge prüfen.
2 5 10.08.2002 Karlsborg -> Skalborgs-Viken
Am morgen gilt wieder der erste Blick der Bilge: nachts mussten wir nicht lenzen, jetzt ist sie aber voll. Das bedeutet, dass nun etwa 8 Stunden vergehen, bis die Bilge volläuft. Damit kann man le-ben: 3 mal am Tag lenzen für 1,5 Minuten. Bei manchen älteren Schiffen ist das der Normalzu-stand! Unsere Stimmung hebt sich wieder ein Stück. Der Optimismus steigt, Göteborg zu errei-chen. So machen wir uns nach der Morgentoilette (mit Hindernissen, da alle Türen der Hafenein-richtungen noch verschlossen sind) auf den Weg. Pünktlich um 8 Uhr klappt die Brücke hoch. Auf der anderen Seite wartet ein sehr großes Schiff, bis wir die Brücke passiert haben. Wie der hier durchpasst? Fragen wir uns. Er passt Zentimetergenau durch die Enge der Brückenauflager. Nach einem kurzen Kanalstück laufen wir in einen wunderschönen See: Hier hätten wir (wie geplant) übernachten sollen. Die Landschaft ist traumhaft schön. Wir finden wieder Gefallen an der Reise und die Sorgen um das Boot treten etwas zurück.
In der ersten Schleuse warte schon eine Yacht auf uns zum Schleusen. Im Konvoi motoren wir dann viel zu schnell mit den empfohlenen 5 kn hinter der größeren, schnittigen britischen Yacht hinterher, die wir vor Mem schon einmal ausgesegelt hatten. Wenn wir heute noch den Vänernsee erreichen wollen, müssen wir uns sputen.
Der Kanal wird nun wirklich zum Kanal: selbst im See ragen die Köpfe der seitlichen Begrenzungs-mauern knapp aus dem Wasser. Sie markieren das Fahrwasser wie eine Strasse. Teilweise sind diese Mauern eingefallen. Große Poller aus Stein stehen noch, wenn auch manchmal ziemlich schief. Damit wird deutlich, dass die Boote früher auch hier im See getreidelt worden sind, die Mauern sind die Reste der künstlich in den See gebauten Treidelpfade.
Im See sind tausende kleiner Inselchen und Felsen. Bizarre Kiefern stehen in starkem Kontrast vor dem klaren Morgenhimmel. Wir fühlen uns nach Japan oder China versetzt: zauberhafte Bilder wechseln einander ab. Dann folgt ein Engpass, wo der Kanal in den Fels gesprengt worden ist. Wieder fahren wir sehr nah an den Bäumen vorbei, manchmal streifen Äste das Rigg. Rundum ist tiefer, dunkler Wald. Nach einer weiteren Schleuse laufen wir in einen weiten See, der durch viele Inseln und Buchten stark gegliedert wird. Der Brite vor uns setzt seine Genua und segelt nun. Lei-der geht das bei uns nicht so einfach, denn zum Segeln müssen wir erst wieder die Seitenschwim-mer ausklappen. Ich zögere angesichts der Arbeit. Wir sind unschlüssig. Aber dann siegt die Lust und wir beschließen doch einen Tag hier zu bleiben und uns einen Ankerplatz zu suchen. Beim Ausklappen passiert mir dann ein Missgeschick: Die Gurtschlaufe der Trampolindiagonale reißt. Vielleicht war ich auch durch die vielen Schwierigkeiten beim Ausklappen nicht aufmerksam genug und habe übersehen, dass irgendetwas klemmt – mit einer Winsch kann man alles abreißen ohne es zu merken. Wie gut war es doch in der guten alten Zeit ohne Winschen! Na ja, darüber lässt sich streiten.
Endlich können wir die Genua setzen. Fast lautlos gleiten wir über das glatte Wasser auf das Ufer zu. Dort finden wir einen wunderschönen Platz am Eingang zu einem kleinen Fjord. Der Anker fällt, das Wasser ist bräunlich klar.
Wir bauen unser Sonnensegel auf, denn die Sonne brennt vom blauen Himmel. Dann faulenzen wir auf dem Trampolin. Schließlich springt Claudia in das 26°C warme Wasser und schwimmt zum Ufer. Ich kann nicht umhin ihr zu folgen. So haben wir uns unseren Urlaub vorgestellt. Hier bleiben wir, sonnen, lesen, essen, dösen, schlafen – einfach schön.
2 6 11.08.2002 Skalborgs-Viken -> Van
Für den folgenden Morgen haben wir verabredet, früh aufzubrechen um den Zeitverlust gegenüber unserer Planung wieder etwas aufzuholen. Eine leichte Brise treibt uns unter Genua über den noch verschlafenen See, der sich teilweise noch mit Dunst einhüllt. Die Morgenstimmung ist beeindruk-kend. Wir vergessen sogar unsere Probleme.
Dann folgen wieder Schleusen und Kanal. Noch eine Schleuse und wir haben den Kanalgipfel er-reicht. 99 m über dem Meer. War eigentlich gar nicht so schlimm. Nun geht es bergab. Dazu müs-sen wir unsere Technik umstellen: Nun verwenden wir zwei Leinen ohne Augen oder Karabiner. Jetzt führt Claudia das Ende durch den Ring und gibt es mir zurück an Bord. So kann ich es auf Slip belegen und auch selbst wieder loswerfen und einholen, wenn wir die Schleuse verlassen kön-nen. Dies ist nötig, damit Claudia noch in der Schleuse vor dem Hinabschleusen wieder an Bord kommen kann. Wir ersparen uns damit einen zweiten Anleger nach der Schleuse.
Es folgt ein Kanaltag: 10,6 sm unter Motor und 20 Schleusen bringen wir von 8 – 18 Uhr hinter uns. Wir schaffen es gerade noch bis Sjötorp in den Vänernsee Dort legen wir im Yachthafen an. Wir sind geschafft. Erst duschen wir. Dann essen wir ein Eis. Schließlich raffen wir uns auf noch etwas einzukaufen. Außer einem Fischladen, einem Souvenirshop und der Eisdiele finden wir aber nichts. So kaufen wir verschiedenen geräucherten Fisch für den Abend ein. Außerdem bunkern wir frisches Wasser.
Dann folgt eine Überraschung: Die Kanalfahrt kostet insgesamt etwa 500 € (430 € für den Götaka-nal, 170 € für den Trollhättankanal). Laut Prospekt ist damit auch der Aufenthalt von bis zu 5 Tagen in den Häfen am Kanal eingeschlossen. Doch nun kommt eine hübsche junge Schwedin und möchte eine Hafengebühr kassieren. Unter Verweis auf die obigen Informationen sage ich ihr, dass das wohl nicht sein könne. Da macht sie mich auf ein kleines Sternchen und eine klein gedruckte Fußnote am unteren Rande der Seite aufmerksam, wonach der Hafen von Mem und der untere Hafen von Sjøtorp nicht im Preis eingeschlossen sind. Die beiden Anleger hinter der ersten Schleu-se in Sjøtorp, unmittelbar neben dem unteren Hafenbecken gelegen (nur eben eine Schleusenhöhe höher gelegen) sind im Preis enthalten. Das bedeutet, dass alle Boote die nach 18 Uhr in Sjøtorp ankommen, oder die vor 8 Uhr in den Vänernsee auslaufen wollen (also außerhalb der Schleusen-zeiten), gezwungen sind, den unteren Hafen benutzen müssen und damit zusätzlich abkassiert werden. Ich empfinde sowohl den Sachverhalt an sich wie auch die Art und Weise der Information als Abzockerei. Dies bringt mich zu einem weiteren Kritikpunkt: Die Informationen über die Be-triebszeiten waren uneinheitlich und im Internet falsch. Und die Zeiten von 8 – 18 Uhr sind viel zu kurz, damit verliert man viel zu viel Zeit durch Zwangsaufenthalte im Kanal vor der Nacht. Und so schön ist der Kanal an den meisten Stellen zum Aufenthalt nun doch nicht (siehe -> 5.7.)
So sind wir ziemlich empört, klappen peri aus und suchen uns hinter der nächstgelegenen Insel einen schönen Ankerplatz für die Nacht.
2 7 12.08.2002 Van -> Sikhall-Viken
Dort haben wir gut geschlafen. Wir brechen wieder früh auf, um den Verzug gegenüber unserer Reisplanung in Grenzen zu halten. Zunächst kreuzen wir nach Mariestad gen Süden. Dort arbeiten wir uns bei Flaute mühsam durch ein Flachwassergebiet in das Hauptfahrwasser nach westen. Einige Yachten überholen uns unter Motor. Nur wir segeln. Keine Flaute dauert unendlich lange. Auch diesmal nicht. Aber die meisten Segler haben offenbar keine geduld mehr. Dann folgt ein größerer Schlag über freies Wasser nach Läckö. Wir sind gespannt, wie diese Burg aussieht, ein Foto im Reiseführer hat uns neugierig gemacht. Und der Abstecher hat sich wirklich gelohnt: Die Burg thront eindrucksvoll über dem Wasser. Bei böigem Wind um 5 Bft laufen wir durch das sehr enge Fahrwasser in die Bucht der Burg hinein, drehen einen Besichtigungskringel und kreuzen anschließend wieder hinaus. Es ist schon sehr eng zum Kreuzen, links und rechts schauen die Felsen aus dem Wasser. Der Höhepunkt aber – sowohl seglerisch als auch landschaftlich – ist das sehr enge und gewundene Fahrwasser von der Burg aus nach Westen. Wunderschöne buchten verführen zum verweilen – jetzt haben wir keine Zeit mehr dazu, aber wir nehmen uns vor, in den nächsten Jahren noch einmal hierher zu kommen. Und seglerisch und navigatorisch ist eine Herausforderung, insbesondere eine Engstelle mit etwa 10 m Durchfahrtsbreite, die durch vier Tonnen bezeichnet ist. Wir segeln, nur zur Sicherheit werfe ich den Motor Stand-By an. Das Revier hier ist wirklich sehr reizvoll. Je weiter wir nach Westen kommen, um so kahler werden die Inseln, bis sie nur noch nackter, rund geschliffene Felsen sind.
Im Südwesten ziehen schwarze Gewitter auf. Aber erst als wir vor einer schwarzen Wand in der Sikhall Viken Schutz suchen wollen, bricht das Unwetter gerade beim Aufschiesser zum Ankern über uns herein. Es kracht und donnert, Blitze zucken, der Regen prasselt auf uns hernieder und eine kräftige Bö macht mir das Manöver schwer. In wenigen Augenblicken bin ich total Nass, ob-wohl ich schon vorher Ölzeug übergezogen hatte. Während Claudia unter Deck das Schauspiel verfolgt, kämpfe ich oben mit dem Boot und dem Anker. Nur wenige Augenblicke haben gefehlt, dann hätte es uns nichts mehr ausgemacht. So aber wird es eine Schinderei.
Andererseits ist es ein beeindruckendes Naturschauspiel, das ich dann noch bestaunen kann, als der Anker sicher hält und ich die Segel geborgen habe. Wie schlagartig das Wetter umgeschlagen ist, wie heftig der Wind die Schauer über das Wasser fegt. Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei. Es folgt eine ruhige Nacht.
2 8 13.08.2002 Sikhall-Viken -> Trollhättankanal - Nol
Heute steht der Trollhättan-Kanal auf dem Programm. Zunächst segeln wir mit flauem Wind bis kurz vor die erste Brücke in Vänersborg am Südwestende des Vänernsees, wo der Trollhättan-Kanal beginnt. Die erste Brücke mit 17 m Durchfahrtshöhe wird nicht geschlossen, der Brücken-wärter steht oben und schaut uns zu, er zeigt dass noch sooooviel Platz ist, aber mir ist nie bei Brücken wohl, da man von unten die Höhe einfach nicht abschätzen kann. Danach kommt eine Eisenbahnklappbrücke. Sie wirkt ein uriges urweltliches Insekt, das sich zusammenfaltet. Ein ku-rioses Ungetüm. Dann laufen wir durch einen schönen Fluss-See in den breiten Kanal bis zur ersten Schleuse. Dort müssen wir eine Stunde warten, da gerade Taucher an der unteren Schleuse arbei-ten. So haben wir Zeit, uns die Schleuse in Ruhe anzusehen. Im vergleich zu den bisherigen Schleusen des Göta-Kanals sind dieses Schleusenkammern riesig, sowohl in Länge und Breite, wie auch in der Höhe. Trotzdem ist das Schleusen hier viel einfacher, weil das Wasser wirbelfrei in die Kammern einströmt. So reicht es, sich mit dem Bootshaken an der Schleusenmauer festzuhalten, man braucht keine Leinen. Auch müssen wir peri wegen der großen Dimensionen nicht zusammen-klappen. Zusammen mit einer zweiten Yacht verlieren wir uns in der Schleusenkammer richtigge-hend. Ich besuche den Schleusenwärter in seinem „Horst“, wo er über Fernsehmonitore den gan-zen Kanal seines Bereichs überwachen kann, er weiß immer was wo gerade geschieht, nichts ent-geht ihm.
Auf die Schleuse folgt wieder eine schöner See, bis wir dann im Fluss Älv fahren. Gegen Mittag erreichen wir Trollhättan, wo vier Schleusen aufeinanderfolgend einen Höhenunterschied von ins-gesamt 32,5 m überwinden. Wir müssen warten, bis sich ein großer Frachter Zentimeter für Zenti-meter aus der Schleuse geschoben hat. Dann dürfen wir zusammen mit zwei weiteren Yachten in die Schleuse einfahren, ein Schlepper mit Arbeitsbooten folgt. Dieser macht nicht einmal mit einer Leine fest, sondern treibt während des Schleusenvorgangs frei in der Kammer. Nach einer Stunde sind wir unten angekommen. Da wir noch die Trollhättan-Wasserfälle besuchen wollen, laufen wir ein kurzes Stück stromauf und machen an den alten, viel kleineren Schleusenanlagen aus dem vorigen Jahrhundert fest. Es ist ein sehr schöner und ruhiger Platz, der sich sehr gut als Etappe für die Gegenrichtung eignet. Wir lesen noch im Führer nach, wundern uns etwas über „Betriebszei-ten“ des Wasserfalls, und machen uns auf den Weg von etwa 2 km. Unterwegs versorgten wir uns noch mit frischen, etwas grünen Äpfeln, die am Straßenrand wuchsen. Über Straßen und Wege gelangten wir zu einem großen Kraftwerk, das von den Wassern des Ålv gespeist wird. Ein Stück weiter Flussauf lag der Wasserfall: ein großes, braunes, steiniges Flussbett lag da – aber kein Was-ser floss! Jetzt wurde uns auch klar, was die Betriebszeiten für den Wasserfall bedeuteten: Das Wasser des Flusses wird heute vollständig für das Kraftwerk genutzt und umgeleitet. Nur in den Sommermonaten wird der Wasserfall zu bestimmten Zeiten für die Touristen mit Wasser beschickt, die übrige zeit liegt das Flussbett ohne Wasser da! Wir hatten Pech: wir waren in einer „Betriebs-pause des Wasserfalls“ gekommen. Sachen gibt’s, da staunt man.
Der Rückweg führt dann am Fluss entlang durch saftigen Wald mit vielen Ausblicken auf den Fluss und das gegenüberliegende Ufer.
Beim Ablegen passiert Claudia ein folgenschweres Missgeschick: Als sie an Land die Achterleine losmacht und dann einen Schritt zur Seite macht, stolpert sie in ein Loch des Pflasterbelags und fällt hin. Sie versucht den Fall mit der Hand abzustützen und biegt sich dabei die Handflächen nach oben hinten, so dass die Mittelhandknochen aus den Gelenken gerenkt werden und gleich wieder zurück rasten. Sie lässt einen Schmerzensschrei los, der mich furchtbar erschreckt. Es dauert, bis die Schmerzen etwas nachlassen und wir vorsichtig mit Hilfe unseres medizinischen Ratgebers zu ergründen versuchen, ob etwas gebrochen ist. Das scheint nicht der Fall zu sein. Vorsichtig schmieren wir die lädierte Hand mit Voltaren Gel ein (was wohl falsch war, wie der Orthopäde spä-ter sagt) und bandagieren sie leicht. Damit fällt Claudia für diese letzten eineinhalb Tage, die wir noch bis Göteborg brauchen werden, aus. So werde ich jetzt schon zum Einhandsegler. Claudia geht es schlecht. Sie setzt sich ins Cockpit und erträgt die Schmerzen.
Die nun kommende Flussstrecke ist wieder recht wechselhaft mit einer teilweise schönen Uferland-schaft. Gegen Abend versuche ich in einem Nebenarm zu ankern, aber da Wind und Strömung ge-geneinander stehen und das Wasser schon wenige Meter vom Ufer auf 8 m und mehr abfällt, wird es ziemlich schwierig. Nach einigen vergeblichen Versuchen gebe ich auf. Wir müssen an eine der Brücken gehen. An der Neste Brygga in Nol finden wir einen etwas ungemütlichen Platz (trotz „for-toying forbudt“), denn jeder vorbeifahrende Dampfer schickt uns einen heftigen Schwell, der peri in den Leinen schaukeln und arbeiten lässt.
2 9 14.08.2002 Trollhättankanal -> Göteborg
Es folgt der letzte Tag / Akt. Nach einem kleinen Abstecher in einen Flussarm unter der Burg Bohus Fästning, wo sich der Älv teilt, motoren wir wieder nach Südwesten. Allmählich sehnen wir das En-de der Flussfahrt herbei. Schließlich kommt ein Verkehrszeichen, das den beginn des Hafengebie-tes von Göteborg kennzeichnet und außerdem unmissverständlich klar macht, dass man im Ha-fengebiet von Göteborg nicht segeln darf (Foto). Noch eine große Brücke öffnet sich für uns und dann sehen wir den „Lipstick“, ein modernes Hochhaus, das zum Wahrzeichen Göteborgs gewor-den ist. Um die Mittagszeit laufen wir vorsichtig in den Yachthafen Lille Bommen ein und finden einen Platz, wo wir in voller Breite für einen Tag liegen können.
Wir sind am Ziel für Claudia angekommen. Es folgt das Übliche: aufklaren, duschen, abschlaffen.
Dann gehen wir in die Stadt. Zunächst versuchen wir in Fachgeschäften ein Epoxy für eine proviso-rische Reparatur zu bekommen, leider erfolglos. Da das Boot bisher sich gut gehalten“ hat – der Wasserzulauf in die Bilge hat sich sogar von Tag zu Tag verringert – bin ich optimistisch für die wei-tere Reise. Dann klären wir die Rückreise von Claudia morgen mit der Bahn und besorgen die Fahr-karten. Jetzt habe wir Zeit für die Stadt Göteborg.
Es gibt nur noch sehr wenige alte Gebäude in der Stadt, die wir mit Hilfe des Führers und eines Stadtplanes aufsuchen. Sie prägen daher auch nicht mehr das Stadtbild. Nur noch im Stadtplan lassen sich historische Entwicklungen ablesen. Bestimmt wird das Stadtbild von bauten dieses und des letzten Jahrhunderts. Sie wirkt etwas hanseatisch kühl, aber nicht so klotzig wie z.B. die Kon-torhäuser in Hamburg. Für die zweitgrößte Stadt Schwedens empfinde ich das Zentrum sogar als etwas klein.
Von einer ehemaligen Bastion am Westende des Stadtzentrums haben wir einen schönen Blick über die Stadt und den Hafen. Unter uns sehen wir irgendein Volksfest am Kanal bei der Fisch-kirche, die wir natürlich auch besuchen wollen. Sie hat leider schon geschlossen. Aber jetzt sehen wir, dass auf dem Kanal Drachenbootrennen veranstaltet werden. Es sind offenbar Betriebsmann-schaften, die in dreier oder zweier Läufen mit drei oder zwei booten gegeneinander paddeln. Der Spaß an der Sache steht im Vordergrund. Auch die Verlierer sind fröhlich, lachen und so herrscht eine ausgelassene Stimmung. Die Mannschaften haben ganz unterschiedliche Taktiken und sind auch verschieden geschickt. Bei manchen Booten beginnen das rennen sehr rhythmisch geordnet, bis sich ihr Paddelrhythmus auflöst und jeder für sich paddelt, andere steigern sich erst im Laufe des Rennens und werden zu einer harmonische Paddeleinheit. Es macht uns Spaß zuzusehen und auch die Zuschauer zu beobachten: Eine Familie mit mehreren Kindern schleckt Eis, wobei einiges Eis nicht den Weg in den mund findet, wie das halt so bei Kindern manchmal ist. Eine große Bat-terie hellblauer Toilettenhäuschen wartet in reih und glied auf Benutzer, die Leute tragen lustige Hü-te und Hemden. Wir folgen einem park, der in den ehemaligen Stadtbefestigungsanlagen angelegt worden ist. Überall spielen Menschen. Bei der Markthalle stehen viele Fressbuden, Bands spielen in dem Schallchaos gegeneinander an. Ein anderer Park ist den Kindern gewidmet. Viele verschiede-ne Spielmöglichkeiten werden angeboten. Wir staunen über einen kleinen Knirps von etwa 10 Jah-ren, der sich auf einer gestapelten Getränkekistensäule selbst in die Höhe stapelt: Die roten Kisten werden ihm per Seilzug hoch gehievt, er steht seitlich auf der obersten Kiste, fügt die nächste Kiste oben drauf und steigt dann auf diese Kiste hinauf. Wir staunen über seine Geschicklichkeit, sein Balancegefühl und sein Technik. Der Kistenturm schwankt bedenklich. In einer Höhe von etwa 6 m (ca. 20 Kisten) hört er dann auf. Der Junge ist mit zwei Seilen gesichert, an denen er nun herabge-lassen wird. Weiter schlendern wir durch den park, freuen uns an schönen durchblicken zwischen den Bäumen über den Wassergraben auf die Stadthäuser.
Am Hafen hat sich das bild auch gewandelt. Jetzt am Abend herrscht hier ein fast südländisches Getriebe. Menschenmassen schieben sich auf der Pier rund um das Hafenbecken um zu sehen und gesehen zu werden. Wir staunen wieder. Nichts ist von nördlicher Reserviertheit zu spüren. Zwischen dem Großsegler an der äußeren Pier, dem Lipstick, den Lagerhäusern am Yachthafen, in denen nur Restaurants, Souvenirshops ihrem Geschäft nachgehen, dem Platz auf der anderen Seite vor der Oper und der weiter seewärts führenden Pier mit dem Schiffsmuseum herrscht ein buntes Treiben fröhlicher Menschen. Wir lassen uns mittreiben.
Später sitzen wir noch im Cockpit, als uns ein Deutscher wegen unseres Trimarans anspricht. Er ist ebenfalls Mehrrumpfbootsegler. Wir unterhalten uns und beginnen Erfahrungen auszutauschen.
2 Summen Etappe 2 267,3 sm 92,5 h
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Etappe 3: Göteborg -> Oslo -> Skaerbaek
3 1 15.08.2002 Göteborg -> Insel Ängh
Heute ist Abschiedstag: Claudia fährt mit dem Zug zurück nach hause. Heute um Mitternacht wird sie zu Hause ankommen. Morgen kann sie dann wegen ihrer Hand zum Arzt gehen. Sie schmerzt noch und beginnt anzuschwellen. Abschied stimmt immer wehmütig, auch mich, als der Zug mit ihr aus dem Bahnhof fährt.
Ich gehe noch einmal in die Stadt zur sog. Fischkirsche: Sie hält nicht, was die Reiseführer schrei-ben, ich bin etwas enttäuscht: Das Gebäude ist mäßig, das Fischangebot nicht außergewöhnlich. Auf dem Rückweg besorge ich noch ein paar Mitbringsel. Außerdem sehe ich mir noch die Schiffe im Schiffsmuseum an.
Dann bunkere ich noch Frischwasser, entsorge den Abfall, esse noch ein Eis, ... – was einem so alles einfällt was noch zu tun sei, bis man den ersten Schritt zur Abreise macht! Schließlich ist alles getan, es bleibt nur noch abzulegen: Mit dem ersten Schritt beginnt eine Reise, der erste Schritt ist der entscheidende und schwerste. Jedes Mal, auch wenn es nur ein kleiner oder kurzer Törn ist, fällt mir diese erste Schritt schwer. Ich weiß, dass Segeln Gefahren birgt und habe auf Grund man-cher Erfahrung großen Respekt vor der See.
Alleine lege ich ab, was in dem sehr engen, dicht belegten Hafen nicht ganz einfach ist, Es scheint alles glatt zu gehen, bis ein Fender in einer Leine hängen bleibt und peri damit wieder an die Pier zieht. Aber mit einigen Schimpfwörtern und einem kräftigen Abstoß per Fuß bin ich wieder frei. Die Zuschauer im Restaurant betrachten das Manöver neugierig, sie haben Logenplätze. Nach einem Fotokringel zu dem chinesischen Drachenschiff, in dem ein chinesisches Restaurant auf Gäste war-tet, fahre ich auf den Fluss hinaus, knapp an einem Schwimmdock vorbei, das ich interessiert be-trachte, und weiter den Fluss hinunter, unter der Hängebrücke hindurch der See entgegen. Erst etwa nach 8-9 sm erreiche ich eine Festung auf einer Schäreninsel, an der das Hafengebiet von Göteborg endet: Jetzt darf man wieder segeln, was ich auch sogleich tue. Der Wind weht aus Norden: Ich muss kreuzen. Es ist ein anspruchsvoller Kurs nach Norden, insbesondere durch den Engpass bei Varh. Aber heute segeln noch einige andere Yachten mit mir gegen den Wind. Es scheinen die Wochenendsegler aus der Stadt zu sein, die ihrem Wochenendhäuschen zustreben. Dann komme ich in den Björko Fjorden, wo viele Buchten zwischen den Inseln zum Bleiben ein-laden. Da der Wind hier sehr nachlässt, lasse ich mich einfangen und ankere schon recht früh am Nachmittag in einer solchen Bucht. Nebenan liegt Schwede, wie hier üblich am Fels. Nun genieße ich den Tag, döse, esse, „spanne aus“.
3 2 16.08.2002 Insel Ängh -> Fartholmen
Flaute am Morgen beschert mir einen weiteren faulen Vormittag. Mit einer Mittagsbrise mache ich mich dann weiter auf den durch die Schären nach Norden. Nach kurzer Zeit fällt mir ein Boot auf, das sehr schnell segelt, schneller als die anderen Yachten und es kreuzt sehr viel längere Schläge. Bald sehe ich die Erklärung: es ist ein Dragonfly 800. Leider segelt er auch mich aus, da kann ich nicht mithalten, wohl weil ich sehr viel schwerer beladen bin und tiefer im Wasser liege, was für Mehrrumpfboote immer sehr nachteilig ist. Bei ihnen bremst jedes Gramm doppelt. Auf Grund un-seres geringeren Tiefganges können wir den Seeraum zwischen den Schären besser zum Kreuzen Nutzen. Als ich dann wieder im Fahrwasser auf Bb-Bug hoch am Wind segle, kommt von Bb eine größere Kielyacht auf Stb-Bug auf mich zu: Kollisionskurs. Die andere Yacht macht keine Anstalten auszuweichen. Die große Mannschaft sitzt gemütlich an Deck und plaudert. In Rufweite schreien sie wie wild, ich solle ausweichen: „We are sailing a race!“ Dabei ist weit und breit kein Regattafeld oder auch nur eine ähnliche Yacht zu sehen. Sie fährt auch keinen Rennwimpel. Und für mich zählt in diesem Gewässer auch jedes Grad Höhe, um am nächsten Riff noch vorbei zu kommen. Die Yacht hält stur Kurs und nimmt mir die Vorfahrt, so dass ich im letzten Augenblick abfallen muss, um eine Kollision zu vermeiden. Dabei segle ich in der Hektik unfreiwillig noch einen Kringel und werde von der Crew auf der anderen Yacht auch noch lautstark mit deutschen Schimpfwörtern bedacht: “A...“. Anschließend habe ich viel Arbeit, um peri wieder auf Kurs auszutrimmen. Es gibt schon recht freundliche Zeitgenossen!
Mit gutem Wind geht es weiter. Es ist Freitag Nachmittag. Aus verschiedensten Richtungen kom-men immer mehr Boote in Sicht und sterben alle auf einen trichterförmigen Engpass zu. Es bildet sich fast eine „Herde“. Sogar ein schwimmendes Haus ist dabei. Es motort etwas am Rande des Feldes. Sachen gibt’s! Am Engpass segeln alle Boote in einer Linie unter der Brücke hindurch, bleiben bis zur nächsten Huk noch eng zusammen, dann fächern sie sich wieder auf. In diesem Konvoi muss ich bremsen, da kein Raum zum Überholen besteht. Aber gleich nach der Huk kann ich wieder volle Fahrt aufnehmen und überhole ein Boot nach dem anderen, auch eine Bavaria 43. Dabei freue ich mich, dass ich größere Höhe und mehr Fahrt laufen kann, obwohl man ja immer sagt, Mehrrumpfboote könnten nicht so gut kreuzen wie Einrumpf-Boote. So schaffe ich mit weni-ger Kreuzschlägen die nächste Huk, hinter der sich der Hake Fjord öffnet. Ich staune nicht schlecht, als ich eine riesige Armada von Yachten sehe, die alle nach Norden streben. Der Wind dreht etwas auf halben Wind. Manche setzen daraufhin ihren Gennaker oder sogar Spinnaker und müssen dafür etwas abfallen. Sie segeln nun zwar etwas schneller als das große Feld, aber später müssen sie die verlorene Höhe wieder heraussegeln und verlieren dabei ihren Vorsprung. Der Wind flaut ab und wird launisch. So kann ich gut beobachten, wie peri viel schneller anspringt als die an-deren Boote, allerdings auch viel schneller die Fahrt bei einer Winddrehung verliert. Der Wind schläft völlig ein, alle Segel hängen schlaff am Mast. Strom macht sich bemerkbar. Ich versuche dicht unter Land zu gehen, wo des öfteren Thermik zu beobachten ist und mache gegenüber den anderen Boote Boden gut. Auch kann ich die Häuschen und Leute am Ufer betrachten, die dort faul am Strand in der Sonne liegen. Deutsche sehen wohl meine Nationale und brüllen unange-nehm laut übers ruhige Wasser. Nun wird die Flaute zum Geduldsspiel: Im vorderen Teil des Feldes der Boote, in dem ich mich befinde, ist der Wind völlig eingeschlafen. Die zurückliegenden Boote im Süden haben aber noch leichten Wind und sausen mit geblähten Segeln heran, bis auch ihre Segel Boot um Boot einfallen. Dann macht sich Unruhe breit: Ein Motor nach dem anderen wird ange-worfen und die Segel eingeholt und bald zieht die Karawane unter Motor weiter, während nur noch einige wenige mit mir zusammen auf dem Wasser dümpelnd auf Wind warten. Im nächsten Eng-pass Sjötangen und Almösund muss ich sehr auf die Strömung achten, damit ich den Felsen nicht zu nahe komme. Unsteter Wind bringt mich nur langsam voran. Bei einer großen Hängebrücke vereinigen sich zwei Fahrwasser nach Teilung durch eine Insel wieder, und hier kommt ein riesiger Tanker, eskortiert von drei Schleppern zwischen den Bäumen zum Vorschein. Er bewegt sich langsam durch die vielen Segelboote. Es ist ein eigenartiges Bild: ein schwerfälliger Koloss, umge-ben von vielen kleinen weißen Mücken. Im nächsten Flautenloch kommt ein Segler längs und ruft herüber, ob ich morgen auch an der Regatta „Rund um die Insel Tjörn“ teilnehme? Er erklärt mir dann auf meine unwissende Gegenfrage, dass morgen wie jedes Jahr die größte Regatta Schwe-dens mit etwa 1000 Booten hier in der Nähe bei Stenungsund/Kåkenäs gestartet wird. Das ist also der Grund für diese riesige Bootswanderung!
Nun wird es Zeit einen Platz für die Nacht zu finden, was sich wieder einmal als nicht so einfach herausstellt, da die guten Plätze bereits alle belegt sind. Im Seeschneckentempo erreiche ich schließlich nach Sonnenuntergang ein Flach zwischen einigen Schären und Inseln.
3 3 17.08.2002 Fartholmen -> Fartholmen-2
Flaute liegt über dem Land. Totale Flaute. Wie die heute Regatta segeln? Frage ich mich. Es wird fast unerträglich heiß in der Sonne. Ich faulenze. Später räume ich die Stauräume um und versu-che mehr Gewicht zum Bug hin zu trimmen. Auch andere kleinere Arbeiten erledige ich endlich. Gegen Mittag kommen einige Motor- und Segelboote, sie ankern mit Heckanker und holen den Bug an den Fels, so wie es in Schweden üblich ist. Aber es scheint gar nicht so einfach zu sein, denn sie brauchen mehrere Anläufe, bis sie fest sind. Jedes Mal steht jemand am Bug und beobachtet das Wasser, ob Felsen im Weg liegen, während der Rudergänger das Boot langsam unter Motor den Anweisungen des Ausgucks folgend das Ufer ansteuert. Leider fehlt mir der Ausguck am Bug, so dass ich lieber frei ankere. Ich beschließe, mir als nächste Ausrüstung ein vorausschauendes Echolot (Sonar) anzuschaffen, damit ich in Zukunft auch Einhand an den Fels gehen kann.
Allmählich werden mir Hitze und Flaute unangenehm und langweilig. So gehe ich bei einem ersten leichte Hauch Anker auf und versuch mein Glück. Aber schon bald lässt der Wind wieder nach und im Halse-Fjord treibt mich die entgegenlaufende Strömung langsam aber sicher wieder zurück. Beim nächsten hach kreuze ich gerade wieder so weit wie ich schon mal war um kurz darauf wie-der zurückzutreiben. Nachdem ich mehrmals diese zwei Schläge vor und drei Schläge zurück Se-gelspiel mitgemacht habe, kehre ich um und treibe und segle vor dem Wind mit der Strömung wie-der zu meinem Ausgangsplatz zurück. Nachdem der Anker wieder liegt, fallen mir in Nähe auf einer Schäre im Gegenlicht der Abendsonne Steine auf, die sich hin und wieder bewegen: Es sind drei Seehunde, die sich dort nicht weit von mir räkeln und ihr Fell trocknen.
3 4 18.08.2002 Fartholmen-2 -> Insel Längh (Uddeholm)
Der heutige Tag verspricht mehr Wind. Cumuli treiben flott über den blauen Himmel. Auch der Wet-terbericht verheißt Wind. So versuche ich erneut mein Glück den Halse-Fjord nach Uddevalla hinauf zu segeln. Es wird ein schöner Segeltag. Mit häufig drehendem Wind segle ich auf allen Kursen zum Wind nach Norden. Die Landschaft ist wunderschön: Nackte Felsen, schwarzer Wald und lieb-liche Buchten säumen meinen Weg. Dazwischen stehen immer wieder viele Häuschen.
Abends erreiche ich die Hängebrücke vor Uddevalla. Ich kreuze gegen den Strom unter ihr hin-durch in die Bucht vor der Stadt und kehre dann wieder um. Mir steht der Sinn mehr nach einem schönen Ankerplatz als einem Hafenliegeplatz, der von Industrie umgeben ist. Ich fin-de ihn dann auch zwischen zwei Inseln in einer weiten und teilweise auch für mich schon zu flachen Bucht. Ein herrlicher Sonnenuntergang und ein toller Mondaufgang beschließen diesen schönen Tag.
3 5 19.08.2002 Insel Längh (Uddeh.) -> Schäre Flath
Der am Morgen einsetzende Wind hat in die entgegengesetzte Richtung auf West gedreht und mich auf Legerwall gebracht. So verlasse ich bald den Ankerplatz und segle durch eine reizende, sehr abwechslungsreiche Fjord- und Schärenlandschaft nach Westen. Enge Schlunde trennen Seen voneinander. Wieder begleiten mich nackte Klippen, kantig schroffe und sanft gerundete, rötlich braune und rabenschwarze. Dahinter steht ein dichter, dunkelgrüner Fichtenwald, davor Schilf, der sich im Winde wiegt und rundherum glitzert das sich munter kräuselnde, tiefschwarze Wasser. Hin und wieder begegnet mir ein Segler. Manche liegen in den vielen schönen Buchten, die auch mein Handbuch beschreibt. Es ist ein Revier, um seinen Urlaub faul auf dem Wasser zu verleben. Dazu werde ich einmal wieder herkommen. Jetzt aber trage ich die Idee in mir, doch noch – wie ich es ursprünglich vor hatte – Oslo zu erreichen. Peri hat in den letzten Tagen fast kein Wasser mehr gemacht, das kleine Leck scheint sich selbst abgedichtet zu haben. Und in den Schären habe ich immer die Möglichkeit einen geschützten Platz zu finden. So treibt mich diese Idee weiter, trotz der mich manchmal sogar italienisch anmutenden Küstenlandschaft. Das italie-nische Gefühl kommt wohl von der sonnigen Hitze.
Auf der Karte habe ich mir einen sehr gewundenen, engen Weg durch die Schären auf direktem Weg nach Westen gesucht. Problem: Da ist eine Brücke bei Lunnevik mit einer Durchfahrtshöhe laut Karte von nur 16,80 m. Mein Mast ist 15,80 m hoch zuzüglich UKW-Antenne. Die Antenne ist flexibel. Aber der Sicherheitsabstand ist schon sehr eng, auch wenn ich davon ausgehe, dass bei der Angabe der Durchfahrtshöhe wohl 1 m Sicherheitsreserve enthalten ist. Trotzdem nehme ich diesen Weg und will es wenigstens versuchen. Der Weg durch das enge Fahrwasser ist wirklich den Schlag wert, auch wenn ich zurück segeln müsste. Teilweise sind die Durchfahrten zwischen den runden Felsbuckeln über und unter Wasser nur wenige Meter breiter als peri. Bei dem geringen Wind und teilweise mit Motor Stand-By segle ich die ganze Strecke. Es ist schön hier.
Nach der Durchfahrt durch den engen Kärlinge-Sund biege ich in einen Fjord ein und habe die Brücke vor mir. Im Glas sehe ich, dass jemand mit gelber Farbe auf den Beton eine Höhenangabe gesprüht hat: “Max. 17 m“ lese ich. Das würde mir gut reichen. Da kommt wohl die von mir ange-nommene Sicherheitsreserve zum Ausdruck. Das offizielle Schild sagt 16,80 m. Die See ist ruhig, ein leichter Wind weht von achtern. Ich berge alle Segel und lasse mich gaaaanz laaangsaaam auf die Brücke zu treiben. Der Motor läuft. Kurz vor dem entscheidenden Augenblick bewege ich mich nur noch zentimeterweise auf die Brücke zu. Man kann es furchtbar schwer von Deck aus ab-schätzen, aber da ist wohl noch sehr viel Luft: „1 – 2 m?“ frage ich mich. Hinter mir wartet eine deutlich größere Yacht, dass ich weiter fahre. Und deren Mast soll nicht höher als meiner sein? Kaum zu glauben. Wie man sich doch verschätzen kann.
Hinter der Brücke ändert sich schlagartig das Landschaftsbild: Statt grüner und bewaldeter Inseln liegen nun auf beiden Seiten meines Kurses nackte, rötliche, rund geschliffene Felsen. Eine Durch-fahrt nördlich Lindholmen zwischen zwei solchen Rundlingen führt in den Färlev-Fjorden-Fjord. Ich setze Kurs auf die Huk vor Lysestad ab. Ich kann das nächste Leuchtfeuer kaum anliegen. Später muss ich durch die Schären kreuzen, gegen den Wind aus WNW. Optimistisch kalkuliere ich die restliche Strecke des Tages und suche mögliche Ankerplätze – prompt schläft der Wind ein. So muss ich einen nicht besonders guten Platz in der Nähe ansteuern, denn weiter komme ich nicht ohne Motor. Auf der Karte habe ich eine flachere Stelle mit 4-5 m Tiefe gefunden, nicht weit von einem Riff vor einer Insel. Wenigsten habe ich gute Ankerpeilungen und auch der Anker hält im zweiten Anlauf (unter Motor gecheckt). Der Blick ist schön, aber die Dünung rollt von der See un-gehindert hierher. So schaukelt es doch ziemlich heftig. Hoffentlich kann ich schlafen. Dafür habe ich nun Zeit für ein gemütliches Abendessen im ausgehenden Licht der untergehenden Sonne.
3 6 20.08.2002 Schäre Flath -> Ringshaug Bukta
Nachts wache doch einige Mal auf und prüfe die Position. Der Sternenhimmel wölbt sich über mir.
Am Morgen begrüßt mich eine frische Brise aus westlichen Richtungen. Beim Aufholen des Ankers habe ich Schwierigkeiten: Der Anker kommt nicht frei. Er hat sich offenbar unter einem Stein ver-klemmt. Ich versuche das Boot zur Seite zu schwoien, nehme die Kette kurzstag und versuche alles mögliche, bis der Anker endlich freikommt. Als er in seiner Halterung liegt, sehe ich, dass die Spitze der Flunke leicht nach unten gebogen ist. Der Anker ist aus Edelstahl, darum verbiegt er sich leichter als ein verzinkter Anker. Leider geschieht das m.E. zu leicht, weshalb ich meine, dass die Materialstärke von Schaft und Flunke zu gering gewählt sind.
Nachdem ich ein Riff südwestlich von meinem Ankerplatz gerundet habe, liegt freies Wasser vor mir. Am Wind rausche ich nach Norden. Später kann ich bei halbem Wind den gennaker setzen und nun geht es mit 8 kn sehr flott voran. Optimistisch verlasse ich die Landsicht und laufe auf das äußerste südwestliche Leuchtfeuer am Beginn des Oslofjord zu, das ich am Nachmittag erreichen könnte – wenn es so weitergeht. Es geht so weiter. Endlich kann ich peri sich selbst überlassen, bei diesem Wind verfolgt das ausgetrimmte Boot zuverlässig den Kurs auch ohne Autopilot. Apropos Autopilot: Er wurde zwar im Winter noch auf Gewährleistung repariert und einige Teile sind ausge-tauscht worden, aber er funktioniert immer noch nicht einwandfrei. Ich segle sowieso lieber ohne, was in den Schärengewässern aber auch dauerndes Rudergehen bedeutet. Darum genieße ich nun das unbeschwerte Segeln, die rauschende Fahrt. Ich lese zwischendrin etwas, koche ein aus-giebiges Mittagessen. Endlich mal ein längerer Schlag unter angenehmen Bedingungen.
Später lässt der Wind etwas nach so dass ich erst am späten Nachmittag den angesteuerten Leuchtturm von Hollender Båen erreiche. Kaum bin im Bereich des Oslofjords, wird der Wind lau-nisch. Ich muss wieder kreuzen. Und dümple in Flautenlöchern. Und so plagt mich bald wieder die Sorge um den nächtlichen Ankerplatz. Nørdre Missingen erscheint mir als zu großer Umweg und auch als zu schwierig bei hereinbrechender Dunkelheit. So steuere ich schließlich die Ringshaug Bukta an und finde dort erst spät in der Nacht einen guten Platz.
3 7 21.08.2002 Ringshaug Bukta -> Oslo
Oslo-Fjord. Oft habe ich mir das gewünscht und vorgestellt, hatte den Reiseberichten von Kamera-den gelauscht, die hier vor vielen Jahren unter vollen Segeln nach Norden zur norwegischen Haupt-stadt geprescht sind. Und jetzt dümple ich hier auf öliger See. Nur hin und wieder rollen von den vorbeirauschenden Passagierfähren oder Containerschiffen aufgeworfene Heckseen heran und rumpeln durch das Boot. Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel. Südlicher Sommer im Nor-den! Zu Hause sollen sintflutartige Regenfälle das Land überschwemmt haben. Kaum zu glauben.
Spät am Nachmittag komme ich in die Region von Oslo. Die Zahl der Boote auf dem Wasser nimmt deutlich zu. Dort vorne, das könnte der Holmenkollen mit der Skischanze sein. Dort oben war mir vor vielen Jahren nachts mein erster Elch begegnet: Es war eine Begegnung der unheimlichen Art gewesen. Jetzt leuchtet der Berg in der Abendsonne. Zäh umrunde ich die letzte Huk vor Oslo, dann kommt die Stadt in Sicht. Flaute fängt mich ein. Alle Boote um mich herum laufen unter Mo-tor. Ich will aber unter Segeln mein Ziel erreichen. Für die zwei letzten Meilen brauche ich fast zwei Stunden. Als ich die dem Stadtzentrum gegenüberliegenden Inseln erreiche, ist es bereits dunkel. Ich habe mir auf der Karte eine kleine Bucht an der Südseite der Insel Nakkholme zum An-kern ausgesucht. Als ich mich ihr im rhythmisch vorbeihuschenden Licht eines Leuchtfeuers nähe-re, erscheint mir der Platz zu eng und unsicher, falls der Wind drehen sollte. Ich versuche einen an-deren Platz zu finden. Dies ist unerwartet schwierig: Meist fällt der Grund sehr schnell auf Wasser-tiefen ab, die mir zu tief sind. Oder es führen Fahrwasser sehr nahe vorbei, so dass ich mit Schwell rechnen müsste. Oder sie sind für die herrschende Flaute zu weit weg. Schließlich finde ich eine Stelle auf der Nordseite der Insel Lindöy, aber dazu muss ich durch einen zwar befeuerten Eng-pass, wobei mir nicht wohl fühle. Ich zögere, denn rundherum lauern Riffe. Aber da ich keine an-dere Möglichkeit habe, mache ich mich dorthin auf den Weg, wobei ich möglichst weit auf der si-cheren Seite zu bleiben versuche. Es ist schwierig die vielen Lichter der Stadt und die sehr unter-schiedlichen Leuchtfeuer auseinander zu halten und einwandfrei zu identifizieren. Aber nachdem ich einmal die richtige Peilung gefunden habe, enthüllen sich die geheimnisvollen Orte der Feuer, die Inseln und die aus dem Wasser hervorspitzelnden Steine fast von selbst. Der Schleier der Nacht hebt sich. Eine kleine Bö kommt und auf einmal rausche ich vor dem Wind viel zu schnell durch den Engpass, neben mir sehe ich die schwarzen Klippen vorbeihuschen. Es geht alles viel besser als gedacht, nur der Anfang war schwierig. Dann luve ich an, viel zu schnell kommt der ausge-suchte Ankerplatz heran. Dann lässt der Wind gerade passend nach und ich kann ganz gemächlich die Lage sondieren. Nach zwei Kringeln zum prüfen und platzieren werfe ich den Anker auf 4 m zwischen einem Anleger der Stadtfähre und einem Bojenfeld von Motorbooten, genau gegenüber vom Fram- und Seefahrtsmuseum. Es ist ein toller Platz, vor mir breitet sich eine glatte Wasserflä-che aus, dahinter funkelt und blitzt das Lichtermeer der Stadt. Nur die Fähre, die jede halbe Stunde vorbeirauscht, bringt mit Schwell Unruhe in die ruhige Nacht. Ich bin zwar ziemlich müde nach die-sem sehr langen Tag, aber ich sitze noch lange im Cockpit bei Port und Salami und sehe fasziniert zu, wie tausende von Lichtern spielen. Und darüber breitet sich ein klarer Sternenhimmel aus.
3 8 22.08.2002 Oslo <-> Oslo Yachthafen
Am Morgen weckt mich Schwell. Es ist total flau. Ein riesiger Passagierdampfer (Kreuzfahrtschiff) schiebt sich durch das glatte Wasser, über dem noch zarte Dunstschleier von der Sonne aufgelöst werden. Ich laufe unter Motor hinüber in die Bucht des königlichen Yachtclubs. Zuerst laufe ich bis zum Ende der Bucht, ob ich vielleicht einen Anlege- oder Ankerplatz finde. Dabei sehe drei große Katamarane an Bojen liegen, sowie einige sehr schöne alte Spitzgatter mit Gaffelrigg . Sie sehen aus wie Colin Archer. Aber es gibt keinen Platz für mich. So laufe ich in den königlichen Yachthafen und frage nach einem Liegeplatz für den Tag. Sollte ich einen Platz bekommen, will ich die nahe gelegenen Museen besuchen. Andernfalls wollte ich wieder nach Süden segeln. Ich kann mich an das äußere Ende eine Schlengels legen und muss nicht einmal etwas bezahlen! Frisches Wasser gibt es auch noch. Und den Akku der Videokamera kann ich laden. Es ist der reinste Luxus.
Dann mache ich mich zu Fuß auf den Weg durch die Museen: Seefahrts-Museum, Fram-Museum, Kon-Tiki-Museum, Wikinger-Museum und Folks-Museum. Ich kenne sie bereits alle von früheren Reisen mit Auto und Motorrad, aber ich finde sie immer wieder aufs Neue interessant.
Abends kehre ziemlich fußlahm an Bord zurück und lege kurz darauf ab. Unter Maschine unterneh-me ich noch eine ausgedehnte Rundfahrt durch den Stadthafen. Dort liegen in der City-Marina nur Motorboote, zum Teil sehr große. Auf den Piers herrscht fast Volksfestatmosphäre. Laute Musik hallt übers Wasser. Askershus, die Festung Oslos, wird beleuchtet. Ein ziemlich alter „echter“ Dam-pfer schnauft vorbei. Es ist schön. Spät kehre ich zu dem Ankerplatz der letzten Nacht zurück, da ich nichts besseres finden konnte.
3 9 23.08.2002 Oslo -> Nes Bukta
Wieder herrscht am Morgen Flaute. Trotzdem mache ich mich auf den Weg. Gegen Flaute musste ich mich hierher kämpfen, gegen Flaute kämpfe ich mich zäh wieder zurück. Angelversuche bleiben erfolglos, obwohl ganz nahe bei mir ein Angler von einem Motorboot aus einen ziemlich großen Dorsch (10 kg?) gefangen hat und ihn mir stolz zeigt. Aber bei mir ist keiner. Sonst ereignet sich lange Zeit nicht viel: Langsam dümple ich in der Hitze nach Süden. Bis dann an der Engstelle, wo der Fjord von Inseln geteilt wird, Wind mit bis zu 5 Bft sehr plötzlich einsetzt – leider kommt er aus der Richtung, wo ich hin will. Ich muss kreuzen. Der Wind hat sich wirklich die engste Stelle ausge-sucht. Die anderen Segelboote laufen sowieso schon unter Motor und ohne Segel. Erst haben sie mich überholt, nun laufe ich ihnen trotz Kreuzschlägen davon. Dann kommt auch noch eine große Fähre und verschafft sich mit ihrem tiefen Horn Respekt, scheucht die kleinen Boote aus dem en-gen Fahrwasser. Endlich mache ich wieder rauschende Fahrt. Als der Fjord wieder breiter wird, setzt auch eines der Segelboote Segel und schaltet den Motor aus. Leider kann dieses Boot mehr Höhe laufen als ich und so kann ich ihm nicht ganz folgen. Aber nach einer halben Stunde flaut der Wind wieder ab, ich hole auf. Da holen die zwei Mann auf dem Boot die Segel ein, werfen den Mo-tor wieder an und motoren davon. So kann man auch segeln: Nur wenn der Wind ideal ist, setzt man Segel, für alle anderen Fälle gibt es ja den Motor. Nun wird es wieder mühsam. Wie weit kom-me ich noch? Wo kann ich ankern? Es sind immer wieder die gleichen Fragen, die mich ab Nach-mittag bewegen.
Eine schöne alte Yacht passiert auf Gegenkurs. Sie führt die britische Nationale und segelt!
Ich komme bis zu einer Bucht, die sich laut Karte zum Ankern eignet. Aber dort wo ich ankern will ist alles mit gelben Tonnen abgesperrt: Ein Campingplatz hat den Strand seeseitig eingezäunt. Das ist ärgerlich, weil es daneben gleich sehr tief wird. So muss ich fast zwischen den gelben Tonnen ankern, was mir nicht besonders gefällt. Aber eine andere Möglichkeit sehe ich nicht (außer 5 - 8 sm zur nächsten Gelegenheit zu motoren). Da es wohl die Nacht über flau bleiben wird, bleibe ich. Vom Campingplatz klingt Lärm von Kindern herüber und stört den stillen Abend. Aber um 22:00 Uhr müssen sie wohl ins Bett, es wird endlich ruhig. Die Sterne erstrahlen, der Himmel verblasst. Der Mond zieht herauf.
3 10 24.08.2002 Nes Bukta -> Nordre Missingen
Am frühen Morgen weckt mich ein leichtes Bumsen: peri hat sich an eine der gelben Tonnen ange-lehnt. Es ist mal wieder flau. Nicht weit von mir dümpeln Motorboote mit Anglern. Laut Seekarte könnten hier tatsächlich gute Fischgründe sein. So gehe ich Anker auf und will auch mein Angler-glück versuchen. Endlich mal wieder frischen Fisch essen. Ich habe richtig Lust darauf. Aber ich habe kein Glück. Vielleicht mögen die Südnorwegischen Dorsche meine nordnorwegischen Haken aus dem letzten Jahr nicht? Langsam ziehe ich meine Bahn durch das ölige Wasser. Mehr zieht mich der Strom durch einen engen Sund, als dass ich segle. Am Nachmittag dümple ich an Ufern entlang, die dicht von Familien bevölkert sind. Sie sind alle mit dem Motorboot zu den Sandsträn-den dieser Inseln gekommen. Am Strand ist richtig was los, Lärm, Toben, spielen, dösen, sonnen – wie es halt an jedem Strand der Welt mit vielen Leuten zugeht. Wieder dümple ich in beängstigen-der Nähe von Klippen dahin, die Strömungen sind das Problem. Endlich kommt wieder ein leichter hauch und bringt mich zur Nordspitze von Nördre Missingen, wo ich auf einer kleinen Stelle von etwa 7 m Wassertiefe ankern will. Die im Führer beschrieben Ankerbucht ist überfüllt. Ich zähle etwa 16 Masten., die über die Klippen ragen. So bleibe ich hier. Das Wasser ist warm, 24 °C. Darum springe ich ins Wasser und putze das Unterwasserschiff, was ich schon längst tun wollte. Der Bewuchs hält sich sehr in Grenzen. Fast eine ganze Stunde schrubbe ich das Boot und mich selbst von Kopf bis Fuß, ehe ich dann doch etwas ausgekühlt wieder an Bord klettere. Müde und sauber genieße ich anschließend ein kühles Bier im Cockpit und die heraufziehende Nacht. Per Telefon gratuliere ich noch meiner Mutter zum Geburtstag.
3 11 25.08.2002 Nordre Missingen -> Iddefjorden
Ein leichter Wind holt mich früh am Morgen aus der Koje. Flink hole ich den Anker ein und segle ge-gen den Wind nach Süden. Ich will zum Svinesund, der Grenze zwischen Norwegen und Schwe-den. Es geht flott voran. Da der Seegang schwach ist, macht auch das Kreuzen Spaß. Aber es ist ein Revier, wo man sehr aufpassen muss, um keine Seezeichen und kein Riff zu übersehen. Schließlich laufe ich in das Fahrwasser nach Frederikstad ein. Es wird immer enger, und meine Kreuzschläge demnach im kürzer. Und der Wind lässt immer mehr nach, je weiter ich bei Kjököya zur engsten Stelle mit einer Brücke komme. Es ist viel enger und das Fahrwasser führt viel dichter an die Felsen heran, als dort im Vätternsee, wo wir aufgelaufen sind. Für etwa 100 m bei der Brük-ke brauche ich eine halbe Stunde. Ich übe mich in Geduld. Eine leichte Strömung macht immer wieder den gewonnen Boden zunichte. Bis ich endlich die Enge hinter mir gelassen habe. Dann setzt auch de Wind wieder ein und es folgt eine Kreuz durch ein außerordentlich schönes Segel- und Ankerrevier zwischen Frederikstad und dem Svinesund. Auch hierher möchte ich einmal mit viel Zeit zurückkehren. Als de Wind wieder einmal eine Pause einlegt, befinde ich mich gerade vor einer Insel, wo wieder viele Angler liegen. Also versuche ich erneut mein Glück – bleibe aber un-glücklich. Dann bringt mich der Wind flott zur Mündung des Svinesunds. Ich weiß noch gar nicht, wie weit ich hineinsegeln will, jedenfalls will ich den Motor möglichst nicht benutzen. Ich bin der einzige Segler, der in den Sund hineinkreuzt, aller anderen Schiffe – fast alles Motorboote – rau-schen mit hoher Hecksee an mir vorbei, obwohl eigentlich nur 5 kn erlaubt sind. So werde ich ordentlich durchgeschüttelt und meine Abneigung gegen Motorboote wird verfestigt. An der eng-sten Stelle unter der Straßenbrücke wird es diffizil, vor allem als ein Ausflugsboot ohne Rücksicht mit lautem Horn einfach an mir vorbeirauscht und mich in Bedrängnis bringt. Dann weitet sich der Sund wieder. Es gefällt mir hier, da die Ränder des Fjords sich etwas mehr in die Höhe erheben. Ich fühle mich an die Fjorde im letzten Jahr erinnert. Der Sund weitet sich, die Kreuzschläge werden weiter. Am Ende erhebt sich ein hoher Berg, auf dem eine alles beherrschende Festung thront. Mit flauen Winden kreuze ich den nächsten Engpass und erreiche den Iddefjord, der sich nach Süden weitet. Er hat einige sehr unterschiedliche Buchten: große und viele kleine, felsige, sandige und bewaldete, flache und hohe. Er ist sehr abwechslungsreich. Und es sind nur ganz wenige Boote hier. Die meisten Boote fahren nämlich nur bis zur Grenze an der Brück, um dort zollfrei in Schwe-den einzukaufen. Einige laufen noch bis zu dieser Stadt, aber weiter südlicher verirren sich offenbar nur wenige. So bin ganz allein auf dem weiteren Weg zum Ende des Fjords.
Diesen erreiche ich am Abend. Die Neugier hat mich das Umkehren immer weiter hinausschieben lassen, bis ich das Ende erreicht habe. Dort mündet ein Fluss, der eine ganz flach auslaufende Bucht gebildet hat. Die Wassertiefe schwankt zwischen einem und drei Metern. Etwas ausmittig stehen zwei weiße Baken und markieren die Grenze zwischen Norwegen und Schweden. Sie sind ein sehr gute Anhalt für die Ortsbestimmung. Ich hole das Schwert auf und segle vorsichtig in das Flachwassergebiet hinein. Auf Grund der topologischen Gegebenheiten rechne ich nicht mit Felsen, sondern mit Schlick, falls ich eine Grundberührung mit dem Ruder haben sollte. Der Hauptrumpf hat einen Tiefgang von 55 cm, das Ruderblatt von 1,30 m. Das Echolot pendelt um 1,50 m (+ Re-serve 30 cm). Ich ankere schließlich auf etwa 1,20 m nicht weit vom Ufer am Beginn einer Seiten-bucht. Das Ufer ist mit dichtem Schilf bewachsen, in dem viele, viele Mücken wohnen: Sie werden mich später überfallen. Aber noch ahne ich nichts davon und erfreue mich an diesem wunderschö-nen , abgeschiedenen Ort.
3 12 26.08.2002 Iddefjorden - Ankertag
Wieder beginnt der Tag mit Flaute. Aber das stört mich nicht weiter, da ich einen Tag hier bleiben will. Ich erledige einige Arbeiten, wie z.B. das schmieren aller Blöcke etc. Auch die gestern gebro-chenen Federn in der Bb-Genuaschotwinsch tausche ich aus. Als mir zum ersten Male diese Fe-dern in der Stb-Winsch gebrochen waren auf dem Weg von Riga nach Visby vor zwei Jahren, wusste ich noch nicht was los war und dass ich das selbst reparieren könnte – wenn ich Ersatzfe-dern an Bord gehabt hätte. Seitdem habe ich welche dabei. Damals musste ich dann die Genua ohne Winsch dichtholen, was am Wind schier unmöglich war. Ich baue endlich das Schlauchboot auf und montiere den Außenbordmotor. Dann drehe ich einige Probe- und Fotorunden um‘s Boot.
Nachmittags unternehme ich einen Landausflug zur Mündung des Flusses. Das Wasser ist sehr bräunlich, aber klar. Ich laufe in die Flussmündung hinein und lege am Ufer an. Ich fühle mich, als wenn ich weit ab jeglicher Zivilisation wäre, so ursprünglich sieht der Fluss aus, der ins Landes-innere führt – bis auf ein Boot, das nicht allzu weit entfernt liegt. An Land vertrete ich mir die Beine und schaue aufs Wasser, beobachte wie die Sonnenstrahlen auf den kleinen Wellen tanzen, wie rotbraungrüne Blätter in herbstlich leuchtenden Farben auf dem Wasser schwimmen, sich drehen, wie die Sonne im Gegenlicht eine strahlenden Rand um den Schilf zaubert, wie der Wald dahinter sich in Windböen wiegt und rauscht. Wie ... Ich sauge die Atmosphäre in mich auf wie ein trocke-ner Schwamm.
Nach einiger Weile steige ich wieder ins Boot und lasse mich mit der Strömung hinaus in den Fjord treiben, lasse mich treiben und die Seele baumeln …
3 13 27.08.2002 Iddefjorden -> Schäre Hastenholm
Am nächsten Morgen kräuselt ein leichter Wind die Wasseroberfläche. Aufbruchsstimmung. Ich ho-le den Anker auf und treibe unter Genua vor dem Wind in den Fjord. Im tieferen Wasser setze ich auch das Großsegel. Mit leichtem Wind laufe ich am Ufer entlang. So kann es weitergehen, denke ich, hereingekreuzt und hinaus geblasen. Aber kaum denke ich das, dreht der Wind und schlafft ab. Es entwickelt sich eine sehr zähe Segelei. Einmal zieht mich die Strömung in eine an sich sehr schöne, von bizarren, kantigen Felsen geformte Bucht, aber ohne Ruder im Schiff ist das nicht mehr so schön. Glücklicherweise treibt mich dann ein Windhauch rechtzeitig wieder etwas vom Ufer weg. Ich habe genügend Zeit mir die verschiedenen Buchten zu betrachten, jede ist anders, jede hat ihren eigenen Reiz. Es gefällt mir hier. Später kommt ein kleiner Dampfboot des Wegs, voller Schulkinder, die wohl einen Schulausflug machen. Auf dem Dampfer lese ich mit Glas, dass er 1896 gebaut worden ist. Das Boot ist also über 100 Jahre alt. An der Biegung nach Westen kommt ein anderer Segler aus der Bucht der Stadt ... heraus, unter Motor. Als er mich segeln, oder besser dahingleiten sieht, setzt er schließlich auch die Segel. Ich bin gespannt, ob er mich einholen kann. Er kann nicht. An der nächsten Engstelle kreuze ich geschickt bis dicht unter Land und nutze die Winddrehungen aus. So brauche ich nur 3 Kreuzschläge, während diese Yacht viel mehr braucht und dann weit hinter mir zurückbleibt. Die Kreuzerei jetzt scheint mir leichter, als die vor zwei Tagen auf Gegenkurs. Aber auch jetzt ist es erneut ein Kunststück gegen Wind und Strom durch den Svinesund zu kreuzen. Heute sind aber sehr viel weniger Boote unterwegs.
Der Himmel bezieht sich. Hin und wieder tröpfelt es. Der Wind legt langsam zu, so dass ich mit flot-ter Fahrt aus dem Sund hinaus nach Westen kreuze. Wieder führt der Kurs manchmal dicht an die Felsen heran, ich habe das Vertrauen in die Seekarte wiedergefunden – was bleibt einem auch an-deres übrig! Es wird nass. Seit langer Zeit muss ich wieder ins Ölzeug schlüpfen. Das behindert et-was das Kochen, aber ich habe Heißhunger auf feurig scharfe Ravioli und vertilge eine ganze große Dose. Der Nachtisch bleibt unvollständig, da aus der Sprühsahne keine Sahne mehr sprüht. Ich öff-ne die Dose mit „Hammer und Meisel“ (so ungefähr), da der Dosenöffner an dieser Dose versagt, und in der Dose finde ich – Butter. Inzwischen weiß ich, dass Sprühsahne die Schaukelei auf See nur etwa zwei Wochen erträgt, bevor sie sich zu Butter verfestigt.
Ich kreuze weiter nach Südwesten, der Wind legt zu. Mit einem Schlag komme ich dicht unter Land der Koster-Inseln. Dort sollen hervorragende Fischgründe liegen, sagt mein Anglerbuch. Aber im Augenblick ist mir nicht nach Angeln zu Mute. Ich will den Wind nutzen und vorankommen. Der Seegang wird höher, hält sich aber in Grenzen. Ich versuche immer die Abdeckung von Inseln zu nutzen, was aber natürlich nur bedingt möglich ist.
Am Abend stellt sich wieder die Frage nach dem Ankerplatz. Es ist schon spät und in der Dämme-rung will ich nur Plätze für mich in Frage, die gut anzusteuern sind. Und das sind nur ganz wenige. Bei den meisten liegt irgendein Stein im weg, oder eine Ecke ist zu runden, oder oder oder. So ver-werfe ich auch einen Platz, der im Führer angepriesen wird. Endlich finde ich eine von Schären um-gebene Lagune mit einer Einfahrt von Norden, die gute Orientierungsmöglichkeiten bietet. Wie ge-wohnt setze ich einige Wegpunkte in meinen Chartplotter (ohne Karte) und laufe so nach Sicht, Echolot und Wegpunkten in die Lagune ein. Dies klappt ohne Schwierigkeiten. Aber dann sieht die Wirklichkeit etwas anders aus, als ich sie mir nach der karte vorgestellt habe. So biege ich eine Ecke zu früh nach rechts ab. Aber ich merke gleich, das das nicht stimmen kann und kehre um. Dann finde ich auch den ausgesuchten Ankerplatz. Der Wind hat inzwischen leicht gedreht, so dass dieser Platz nicht mehr optimal, aber doch noch brauchbar ist.
Es folgen ein schöner Abend und eine ruhige Nacht.
3 14 28.08.2002 Schäre Hastenholm -> Bucht Kalven
Der neue Morgen beginnt mit einer Überraschung: Ich traue meinen Augen kaum, nicht weit von mir segelt ein Dragonfly 800 vorbei. Auch er hat wohl sein Schwesterschiff erkannt, wendet und nimmt Kurs auf meine Lagune. Er kommt nah heran und fragt, ob er längs kommen darf. Es ist Veit aus Halle, der den ganzen Sommer hier oben in den westschwedischen Schären herumsegelt. Wir plauschen, tauschen bei einem Glas Port unsere Sorgen mit dem Boot aus (er hat auch welche, auch ihm ist schon ein Gelenkbolzen gebrochen, auch er hat mit Lecks im Aufbau zu kämpfen, und er hatte Probleme mit der Ruderanlage. Wie ich hält er nichts von den Segeln der dänischen Firma mit roter Krone als Zeichen. Uns verbinden also so manche Erfahrungen. Und er ist ein Kollege. Welch ein Zufall.
Nach zwei Stunden trennen sich unsere Wege wieder. Bis ich ihm in den Schärengarten folgen kann, ist er schon weit entfernt. Er tut sich mit seinem kleineren Boot etwas leichter als ich.
Die Schären beeindrucken mich: Sie sind fast völlig kahl, meist rund geformt, dazwischen kantig-eckige Felsformationen. Der Stein hat einen rötlichen Grundton. Viele kleine Schären öffnen immer wieder neue Ein- und Durchblicke. Ich fühle mich fast wie in einem Theater, wo andauernd Kulissen hin und her geschoben werden. Das Fahrwasser ist eng. Ich muss sehr aufpassen auf meinen Weg (muss ich hier schon oder an der nächsten Ecke da vorne abbiegen?) und auf die Wassertiefen. Ich wiederhole mich: Auch dieser Schärengarten hat seine ganz eigene faszinierende Atmosphäre. Auch hierher will ich einmal zurückkommen um länger zu bleiben.
Ich segle etwas abseits des normalen Fahrwassers um die Kreuzerei zu vereinfachen. Dabei kom-me ich auch sehr nahe an Steine heran, auf denen sich viele Seehunde in der Sonne räkeln. Andere Steine sehen bedrohlich aus. Hoffentlich stimmt hier die Karte! Endlich komme ich in freieres Was-ser, wo aber der Seegang zunimmt, gegen den ich ankreuzen muss.
Spät erreiche ich Måseskär und laufe südlich von Hinneskär zwischen den Inseln durch, Zuerst wird der Leuchtturm und die davor postierte Kanone von der Abendsonne in rotes Licht getaucht, kurz darauf sehe ich alles im Gegenlicht als Scherenschnitt. An den Felsen spritzt die Brandung hoch auf, Schaum umkränzt die nahen Riffe. Ich laufe mit 8 kn daran vorbei, jetzt mit achterlichem Wind auf die Einfahrt vom Kråke-Fjord in den Hästeskärs-Fjorden zu. Ich kann sie nicht erkennen, die Orientierung ist schwer, da alle Inseln und Schären fast gleich aussehen. Erst sehr spät entdecke ich die Telegraphenmasten und Stromleitungen, die über die Einfahrt gespannt sind, daran orientie-re ich mich und rauche in den Pass hinein. Kaum bin ich zwischen den Felsen, ist der Seegang weg, der zuvor sehr kräftige Wind lässt nach. Wieder umgibt mich eine neue Stimmung. Ich wusste gar nicht, wie unterschiedlich Schären sein können. Es ist nicht mehr weit bis zur Bucht Kalven, wo ich bleiben will. Diese Bucht wird im Führer als eine der typischsten und schönsten Buchten an die-ser Küste gepriesen. Ich bin gespannt, darum wollte ich auch noch hierher. In der Bucht liegt schon ein Schwede am Fels. Für mich ist nur noch Platz um daneben frei zu ankern. In der bucht ist es sehr ruhig, so dass ich gerade noch mit dem letzten Schwung aus dem Aufschiesser meinen An-kerplatz erreiche.
3 15 29.08.2002 Bucht Kalven -> Insel Bockholmen
Morgens kann ich mir die Umgebung näher betrachten. An die steile Felswand schließt sich ein kleiner Sandstrand an. Das Wasser ist dunkel, das lässt auf Bewuchs am Grund (4 m Wassertiefe, nach einer Kante stark abfallend) schließen, was mir zu denken geben sollte. Aber ich sehe darüber hinweg. Ich hatte den Anker gestern Abend nicht mit dem Motor eingeruckt. Nach dem Frühstück rudere ich mit dem Schlauchboot an den Strand um die Insel etwas zu erkunden. Über glatte Fel-sen und durch Gebüsch steige ich zum Hügel empor. Von dort oben habe ich einen weiten Blick auf die See hinaus, wo der Wind nach wie vor sehr kräftig bläst: Hohe Brandung steht auf den Schären. Ein Segler kämpft sich mit halbem Wind an der Küste entlang nach Süden. Es ist ein schönes Bild die windgepeitschte See in der Sonne, einige Cumuli am Himmel, das Rauschen des Windes. Zur Landseite hin erstreckt sich der Fjord mit vielen Inseln und Buchten ins Land hinein. Es ist ein tolles Segelrevier. Die Abdeckung mildert den Wind und dämpft den Seegang. Unter mir liegt peri ganz ruhig fast ohne Wind in der Abdeckung. Ich steige wieder hinab und setze über. Dann döse ich noch etwas unter Deck und überlege, was ich nun mache. Plötzlich plätschert es und das land scheint sich zu bewegen. Ich gehe an Deck und sehe, dass peri offenbar driftet: Der Anker slipt! Zum Glück habe ich noch freien Leeraum. So hole ich den Anker ein und lauf vor Topp und Takel aus der Bucht. Draußen klariere ich das Schiff und setze dann Segel. Dann kreuze ich wieder zurück um noch einmal die Bucht anzusehen, segle etwas am Ufer entlang, kurzum: Ich betreibe Sightseeing. Entlang der Inseln laufe ich zur nächsten schönen Bucht im Osten der Insel Kälkerön. Sie ist wirklich eindrucksvoll. Wenn man an der Felsigen Küste der Insel entlang nach norden se-gelt, sieht man keine Bucht, nur Felsen und Klippen, bis sich die schmale Einfahrt plötzlich auftut, man hineinsehen kann, und sie gleich wieder verschwindet. Ich will das filmen laufe zurück und segle noch einmal hoch am Wind vorbei. Doch meine Videokamera streikt. Ich nehme einen er-neuten Anlauf. Aber auch dieses Mal läuft sie nicht: Der Akku ist gerade leer geworden, und auch der Ersatzakku funktioniert nicht. Schade. So laufe ich noch um die Nord-Huk der Insel herum um auch die Bucht an der Nordküste zu besehen. Auch hier ist es schön, allerdings für diesen Wind aus Westen ungeeignet. Also laufe ich wieder zurück. Es bläst zwar kräftig, aber die Segelei macht in dem geschützten Gewässer ohne Seegang Spaß. Was will ich, wo soll ich bleiben? Denn bei diesem Wind möchte ich nicht hinaus vor die Küste. Also schaue ich mir eine weitere Bucht an auf der Insel Hälsön an. Auch sie ist schön, allerdings für diesen Wind aus West ist sie weniger geeig-net. Darum Segle ich langsam ins Landesinnere nach Osten und finde einen anderen Platz zum Bleiben in Lee der Insel Nördre Björnholm. Ich bin zwar sehr nach unter Land in der Abdeckung, aber der Grund ist stark verkrautet und der Anker slipt. Da ich ja nicht schlafen und übernachten will, sondern nur eine gemütliche Mittagspause suche, setze ich den Anker noch einmal noch dichter am Ufer. Dann koche ich mal wieder ganz in Ruhe, mit Vorspeise, Hauptgang und Nach-tisch. Ein schwedisches Motorboot kommt und will an den Fels gehen, gibt es aber nach zwei ver-geblichen Versuchen auf und ankert frei neben mir.
Nach einer ausgiebigen Siesta setze ich am späten Nachmittag wieder die Segel, um einen siche-ren Platz für die Nacht zu suchen. Der Wind hat zwar etwas nachgelassen, aber einige Boote auf Gegenkurs haben ganz schön auf der Kreuz gegen den Wind zu kämpfen. Eine Engstelle mit S-Kurve sieht in Wirklichkeit viel enger als auf der Karte aus und irritiert mich etwas. Der Wind lässt nach (Abdeckung) und ich laufe in den Skåpesund ein. Mitten unter der Brücke gibt es gar keinen Wind mehr. Langsam treibe ich weiter. So kann ich in Ruhe eine Gruppe von Schweden vor einem Bootshaus beobachten, die ausgelassen feiern. Sie tragen ulkige Papiermützen mit langen Schnä-beln, wir winken uns zu. Nach dem Engpass treibt mich ein laues Lüftchen weiter und ich finde eine Lagune, in die ich mich bis auf 1,30 m Tiefe vortaste, um möglichst in die Abdeckung der Insel zu kommen. Dort vor Anker kann ich wieder einigen Gänsen zusehen.
3 16 30.08.2002 Insel Bockholmen -> Kungsbacka Fjord
Nachdem der Wind auch die Nacht über sehr schwach war, laufe ich am Morgen ganz sachte wie-der aus der Lagune ins Fahrwasser aus. Kurz darauf bin ich unter der Hängebrücke über den All-mönsund Sund, die ich ja schon auf dem Weg nach Norden passiert hatte. Wieder muss ich unter der Brücke hindurchkreuzen, dieses Mal aber mit mehr Wind. Allerdings setzt er zeitweise völlig aus und dreht auch kunterbunt durch die Gegend, was die Segelei zeitweise sehr schwierig und nervig macht. Ein anderer Segler wählt deswegen offenbar den etwas längeren Weg durch den zweiten, sehr viel breiteren Sund. Aber er kommt offenbar noch schlechter voran als ich. Vor mir – vielleicht eine halbe Meile entfernt - segelt eine andere Yacht auf gleichem Kurs. Sie ist aus einer bucht aus-gelaufen. Mich packt das Regattafieber: Ob ich sie einholen kann. Es weht um die 18-22 Knoten, wir müssen beide kreuzen. Es ist eine größere Yacht mit vielen Leuten an Deck. Erst scheint sie davon zu laufen, doch als auch ich vollen Wind außerhalb der Abdeckung habe, hole ich auf. Ich kann zwar nicht die Höhe halten, aber durch die höhere Fahrt kann ich das wett machen. Ich ver-suche die Schläge möglichst lang zu setzen und auch die etwas ruhigere See unter den Inseln zu nutzen. Ich komme ihr näher. Als ich dann allerdings in einem engeren Sund Höhe kneife, verliere ich Boden. Doch kurz darauf spiele ich meine höhere Geschwindigkeit wieder aus. Ich wende selte-ner und habe längere Schläge, muss dafür allerdings auch das betonnte Fahrwasser verlassen. Aber alle Untiefen sind hier gut bezeichnet und sehr gut auszumachen. Ob er auch nach Marstrand will? Es scheint so, auch wenn er die breite Ausfahrt nach Norden nimmt, dort aber mit sehr steilem hohen Seegang zu kämpfen hat, sobald er aus der Abdeckung der Inseln kommt und die See vom offenen Wasser heranbrandet. Um diesem Seegang auf der Kreuz möglichst lange auszuweichen, suche ich mir einen anderen Weg hinaus vor die Schären: Direkt Nordöstlich von Maarstrand ist eine schmale Durchfahrt zwischen einigen Untiefen hindurch. Diese sind zwar nicht durch Seezei-chen bezeichnet, aber die Brandung markiert sie unübersehbar. Als ich denn in der Durchfahrt bin, kommt mir das alles allerdings doch furchtbar eng vor. In sehr engen, kurzen Kreuzschlägen käm-pfe ich mich sehr hart und mühsam die kurze Strecke ins offene Wasser hinaus, wo ich denn gleich auf halben Wind abfallen kann und dann auch vor dem Wind in die ruhigen Hafen von Marstrand einlaufe. Dort ist es so ruhig, dass sich Leute in Badehosen sonnen – während nur wenige Kabel-längen weiter 5-6 Bft die See aufpeitschen. Die andere Yacht von vorhin ist weit hinter mir. Sie hat-te viel länger und weitere Strecken gegen den Wind aufzukreuzen, bis sie abfallen konnte.
In Marstrand herrscht sonntägliche Feiertagsstimmung – zumindest empfinde ich das so. Lang-sam und gemütlich treibt mich der achterliche Wind durch den Hafen, an den Schlengeln vorbei, wo hunderte von Yachten liegen. Ich sehe einige deutsche Nationalen. Der Ort hat sich ein ge-mütliche Atmosphäre bewahrt, das auch die neueren Gebäude die kleinteilige Fassadengestaltung der älteren Gebäude aufgenommen haben. Und hoch über der Stadt thront die markante mächtige Festung, die weit über die See zu sehen ist.
Vor mir läuft eine große deutsche Yacht unter Motor ins schmale Fahrwasser. Ich laufe unter Se-geln etwas schneller, wie komme ich vorbei? Noch vor dem Engpass, wo hohe Felsen das Fahr-wasser auf wenige Meter einzwängen, schaffe ich es. Im Engpass allerdings setzt der Wind aus und langsam zieht mich offenbar der Strom hindurch. Dann wiederholt sich dieses Spiel auch an den nächsten Engstellen. Kaum liegen sie hinter mir, weht es kräftig mit 5 Bft. Ich habe immer noch gerefft und muss nur die Schoten trimmen. Hinter mir setzt die große Yacht noch Vollzeug vor dem letzten Engpass. Aber kaum hat sie diese passiert, wird sie auf die Seite gelegt und nimmt schnell wieder das Tuch weg. Vor mir liegt wieder mal eine Kreuz durch Schärenfahrwasser. Wenigstens ist der Seegang nicht so hoch. Es geht flott voran, ich segle allen Booten davon, auch denen unter Motor. Dabei finde ich auch noch Zeit zum Kochen. Heiße, feurige Ravioli sind bei diesem Wetter gerade richtig – sie rutschen gut hinunter und heizen von innen gut ein.
Nun segle ich die Strecke zurück, die ich von Göteborg ausgehend nach Norden gesegelt bin – wieder auf der Kreuz. Es sind weit weniger Boote als damals unterwegs. Das Wetter ist auch nicht so schön, ziemlich grau bedeckt. Aber ich komme voran – noch. Später, südlich des Hauptfahr-wassers flaut es wieder ab und ich weiß nicht so recht, wie lange ich noch segeln kann bzw. soll und wo ich einen guten Ankerplatz erreiche. Ich möchte aber so viele Meilen wie möglich zurück-legen, denn ich muss allmählich nach Hause.
Zwischendrin kreuze ich wieder durch einige mäßig bezeichnet Riffe und nehme endlich Kurs auf den Kungsbacka Fjord über das freie Wasser vor der Küste: Die westschwedischen Schären liegen hinter mir.
Der Wind dreht, ich kann nicht mehr anliegen und muss kreuzen. Der Wind legt zu, wie es der Wet-terbericht angekündigt hatte. Der Seegang nimmt zu. Als ich endlich in die Abdeckung der Insel Malö vor dem Kungsbacka Fjord einlaufe, bin ich froh. Es wird schon dunkel. Ich rausche vor dem Wind in den Fjord hinein. Jetzt macht es wieder Spaß. Weiter drinnen habe ich einen Ankerplatz gefunden in der Abdeckung einiger Inseln auf etwa 3 m Wasser. Es klappt auch alles prima und ich bin rechtschaffen müde – aber der Anker hält nicht. Ich manövriere ganz dicht unter die Küste, um möglichst gut vor dem heftigen Wind geschützt zu liegen und bleibe dort.
3 17 31.08.2002 Kungsbacka Fjord Brokö -> Hallensö
Leider werde ich dann in der Nacht morgens gegen 4 Uhr von ungewohntem Plätschern geweckt, da der Anker slipt und über den Grund rutscht. Er fasst nicht wieder, sondern peri zieht ihn in dem flachen Wasser von etwa 2-3 m hinter sich her. Ich über lege was ich tun soll, noch etwa 1 Stunde ist es Nacht bis die Dämmerung kommt, und ich habe viel freien Leeraum. Aber dann hole ich doch den Anker auf, werfe den Motor an, vergesse dabei, dass ich noch eine Angel achtern ausgelegt hatte und prompt wickelt sich die Angelschnur um die Schraube. Ich merke dass sich peri irgend-wie sehr schwer tut, kenne aber noch nicht die Ursache, die finde ich erst später in Skærbæk, als ich die Reste der um die Welle gewickelten Leine finde. Etwas mühsam motore ich gegen 7 Bft zu-rück, wähle nun aber eine andere Stelle, die noch mehr Schutz gegen den nördlicher drehenden Wind bietet. Aber auch hier hält der Anker erst im zweiten Anlauf. Hundemüde falle ich dann im Morgengrauen wieder in die Koje.
Den ganzen Tag über tobt der Sturm, der ja auch im Wetterbericht angekündigt war. Ich bin froh, hier im Schutz der Insel vor Anker zu liegen und vertreibe mir die Zeit mit Lesen, Schreiben und Dösen. Draußen ist es ziemlich ungemütlich, bis am Nachmittag die Sonne wieder hervorkommt. Aber es bläst hier im Schutz der Insel immer noch mit 7 Bft. Beim Schmökern im Handbuch lese ich von einer sehr geschützten Bucht am Eingang zum Fjord. Nach langer Überlegung gehe ich Anker auf um dort mein Glück zu versuchen. Nur mit der Genua im zweiten und dritten Reff laufe ich langsam mit halbem Wind im Schutz der Inseln nach Westen. Als die Abdeckung gegen den von der See hereinstehenden Seegang abnimmt, fängt peri ziemlich zu stampfen und arbeiten an. Mühsam kämpfen wir nun gegen die Steile See. Als ich Fernglas in die Bucht sehen kann, wird mir klar, dass das kein guter Ort zum Ankern ist: Der Seegang läuft in die Bucht, nur das hinterste Ende ist ruhig, und vor allem ist die Einfahrt unter diesen Bedingungen viel zu gefährlich: haushoch spritzen die sich brechenden Seen an einigen Riffen links und rechts des Weges, der auch nicht mit Seezeichen markiert ist. So beschließe ich umzukehren. Bald wird es im Schutz der Insel wieder ruhiger. Ich versuche hier einen Platz zu finden, denn nah am Ufer ist es ganz ruhig. Der Grund scheint eine Rinne parallel zum Ufer zu haben, die von einer Untiefe mit etwa 1,5 m Tiefe, ebenfalls parallel zum Ufer, vom tieferen Fjord abgetrennt ist. Zumindest sagt das mein Echolot. Ich komme sogar ganz vorsichtig unter Motor im zweiten Anlauf fast ans Ufer heran. Das wäre natürlich ideal, wenn ich an den Fels gehen könnte. Aber plötzlich ertönt das Alarmsignal des Motors: Die Tempe-ratur ist über die maximale Grenze gestiegen, ohne dass ich irgendeine Ahnung von der Ursache hätte. Nun muss ich schnell handeln. Ich werfe erst mal den Anker und schalte den Motor ab, alles weitere wird sich dann schon ergeben. Nun sehe ich, dass überall im Wasser lange Algenbärte schwimmen, die – wie ich dann später feststelle, den Kühlwasserfilter völlig verstopft haben. Jetzt aber bringe erst einmal mit dem Schlauchboot eine Leine ans Ufer aus und den Heckanker achter-aus. Dieser fast sogleich und ich kann peri gut ausrichten.
Nachdem peri gut vertäut liegt und ich die Situation wieder im Griff habe, mache ich noch einen Ausflug auf die Insel, Oben auf dem Gipfel braust der Sturm, in der ferne tobt die See an den Klip-pen. In den Bäumen rauscht es gewaltig. Fast bläst es mich davon, es ist mühsam zu gehen. Ich schaue über den weiß aufgewühlten Fjord hinüber ans Festland, wo die ersten lichter angehen. Gänse haben sich an einer geschützten Stelle gesammelt. Es ist schön.
Als ich wieder an Bord bin, merke ich von dem Unwetter gar nichts mehr, so ruhig liege ich im Lee der Insel. Und schlafe gut.
3 18 01.09.2002 Kungsbacka Fd. Hallensö -> Anholt Südküste
Am Morgen hat der Wind bis auf 3 Bft nachgelassen. Weiter draußen steht noch eine kräftige Bran-dung über den Klippen, aber im Fjord ist es wieder ruhig geworden. Die Sonne scheint. Ich mache mich ans Werk, die Ursache für die Motorüberhitzung zu finden. Der Kühlwasserfilter ist schnell ge-reinigt. Dann muss ich die Leinen einholen, und das wird zur Schwerstarbeit. Es ist unglaublich, wie viele Algen sich in der Nacht um die Anker- und Landleinen gewickelt haben. Sie sind armdick und sehr schwer geworden. Und das schlimmste ist, dass das Zeug sich nicht ablöst. Ich muss es teil-weise mit der Schere aufschneiden, um das schmierige Zeug los zu werden. Eineinhalb Stunden brauche ich, um die Leinen wieder einigermaßen sauber an Deck zu haben. Als ich in der Pantry mir die Hände waschen will, merke ich, dass der Seewasserhahn in der Pantry nur spärlich Wasser spukt. Die Verstopfungen sind also noch nicht alle behoben.
Zunächst lauf ich nur unter Genua mit halbem Wind nach Westen. Einige Segelyachten sind unter-wegs. Ich sehe eine kleine Bucht, die ruhig ist und wo das Wasser sauber scheint. Dort laufe ich nur mit der Genua hoch am Wind hinein und ankere. Rundum sind lauter große, runde Felsbrok-ken. Nochmals fange ich zu suchen an, wo die Verstopfung sein könnte. Ich finde heraus, dass ein T-Stück, an dem die Leitung für den Wasserhahn und die Wellenschmierung vom Motorkühlwas-serzulauf abzweigt, total zu ist. Mühsam versuche ich mit Draht das Algenzeug herauszupulen, aber es geht nicht. Ich muss das ganze Teil ausbauen, wobei mir nicht sonderlich wohl zu mute ist, da ich keine Dichtungsmasse für so etwas dabei habe. Aber nachdem das T-Stück wieder sauber und montiert ist, funktioniert wieder alles ganz normal. Gott sei dank. Nun kann ich mich beruhigt auf den Weg machen.
Der Wind hat weiter nachgelassen, wie auch der Seegang. Hoch am Wind lauf ich südlich der Insel Nidingen mit dem Leuchtturm vorbei und steuere den Fladengrund an. Nachdem ich auf der gan-zen Reise noch keinen Fisch gefangen habe, will ich es dort noch ein letztes Mal versuchen. Es soll laut Angelbuch eines der besten Angelgewässer der Ostsee sein. Als ich dort bin liege ich wie ge-wohnt bei und fange an die Angel auszuwerfen und wieder einzuholen, ich pilke. Aber auch als ich nach einer halben Stunde den Standort wechsle – ich lasse mich quer über die steilen Abfälle am Seegrund treiben – habe ich keinen Erfolg. So bleibt diese Reise – von dem kleinen Barsch einmal abgesehen – ohne frischen Fisch. Traurig. Es ist inzwischen später Nachmittag und ich muss mich sputen, um bei Anholt noch einen Ankerplatz zu erreichen. Nach einem sehr schönen Sonnenun-tergang erreiche ich den an der Südküste von Anholt begleitet vo vielen Dampferlichtern mitten in der sternklaren Nacht.
3 19 02.09.2002 Anholt Südküste -> Insel Hjelm
Nun gilt es möglichst schnell nach Süden zu kommen, bevor das Wetter umkippt. Aus taktischen Überlegungen heraus bleibe ich hoch am Wind und laufe nach Westen auf Grenå zu, statt schon etwas südlicher zu steuern. Aber die Rechnung geht nicht auf. Als die Küste in Sicht kommt flaut der Wind ab und dreht nach einer totalen Flaute auf Süd. Als noch der Wind steht, segelt vor mir eine deutsche Yacht auf gleichem Kurs, die ich langsam aufhole. Als die Flaute kommt, wechselt sie ein paar Mal die Segel. Als dies aber nichts nützt, holt sie alle Segel ein und motort auf und da-von. Noch einige Segler motoren an mir vorbei, während ich die Sonne in der Flaute genieße. Die meisten Segler haben offenbar nicht die Zeit die Muße des Segelns zu erleben. Dabei reden viele vom Ausspannen von der Hetze in unserer Gesellschaft, und dann werfen sie bei der Flaute schon nach wenigen Augenblicken die Maschine an, um aus der Ruhe mit Motorenlärm in die Hetze und die Diktatur der Uhr zurück zu laufen. Ich habe einiges zu lesen dabei, und ich hatte einige Flauten. Aber nie war mir langweilig, ich bin kaum zum Lesen gekommen. Noch ein Segler läuft mit lautem Motorenlärm an mir vorbei nach Süden. Nach etwa 40 Minuten kommt wieder eine leichter Wind aus Süden. Ich wechsle auf die Topgenua und kreuze langsam an der Küste entlang nach Süden. Ich genieße den Nachmittag. Laut Wetterbericht soll es bald nicht mehr so ruhig sein, Südostwind bis 5 Bft ist angekündigt. Ich komme bis zur Insel Hjelm, vor deren Westküste ich ankere. Es ist ein schöner Platz, ruhig, Vögel tummeln sich am Strand. Bis drei deutsche Schnellboote nicht weit vor-beirauschen und riesige Wellen herüberschicken: Jedes Mal tobt alles an Deck und am Ufer laufen brechende Wogen hoch auf den Strand hinauf.
Die Sonne versinkt in der See und taucht sie in feuriges Rot. Der Mond zieht riesig herauf, ich kann den Mann im Mond erkennen, die Sterne funkeln, Zeit zum Träumen ...
3 20 03.09.2002 Insel Hjelm -> Nördl. Aeresköbing
Am Morgen schrecken mich knirschende Geräusche hoch, ich stürze an Deck: Nicht weit von mir liegt ein Bagger und holt Kies vom Meeresboden herauf. Er wäscht die Steine heraus und spült al-les andere auf der anderes Seite wieder ins Meer. Es besteht also keine Gefahr, aber die beschau-liche Ruhe des Morgens ist zerstört. Mit flauem Wind verlasse ich meinen schönen Platz und gleite hinaus ins Kattegatt. Laut Wetterbericht soll sich morgen ein kräftiger Ost-Südost-Wind durchset-zen. Ich überlege, dass ich heute mit achterlichem Winden aus Nordost noch gut den Großen Belt hinuntersegeln könnte, um dann morgen mit dem angekündigten kräftigen Südost vor dem Wind durch den Sendborg-Sund und dann den Kleinen Belt hinauf nach Skærbæk bei Kolding laufen könnte. Nach einigem Abwägen setze ich dementsprechend Kurs auf Rosnæs ab. Es geht gut vo-ran, bis dann der Wind einschläft, die Brücke in etwa 20 sm Entfernung vor Augen. Zum ersten Mal habe ich die Brücke in etwa 25 sm Entfernung gut gesehen.
Während der ruhigen, stetigen Segelei erledige ich einige Arbeiten an Bord, u.a. prüfe ich das MOB-System und stelle dabei fest, dass der Funkimpuls offenbar nicht gesendet oder nicht em-pfangen wird: Das System funktioniert nicht mehr.
In der Flaute am Nachmittag genieße ich die Ruhe. Irgendwann wird der Wind schon einsetzen. Ich habe starken Strom, der mich etwa 1,5 kn nach Norden zurücksetzt. Besonders deutlich wird der Strom, als eine große rote Boje an mir Nähe vorbei treibt. Ich fische sie auf. An ihr hängt ein dickes Tau, das dicht mit kleinen schwarzen Muscheln bewachsen ist. Mit einiger Mühe ziehe ich Meter um Meter aus der See auf das Trampolin, bis endlich ein verrosteter Fischeranker an Bord liegt. Der Strom hat Boje samt Anker über den Grund in etwa 18 m Tiefe geschleift. Was mache ich nun damit? Während ich nachdenke, sehe ich ein Fischerboot auf mich zu laufen. Ich denke, dass die Boje diesem Fischer gehört und warte. Aber er läuft knapp an mir vorbei weiter auf die Küste zu, er war wohl nur neugierig. Jetzt kappe ich das tau und versenke es wieder in der See. Den Anker rei-nige ich und verstaue ihn auf dem Achterschiff. Die Boje ist zu groß, um sie irgendwo zu verstauen. Aber ich finde ein Ventil, um die Luft herauszudrücken. Das dauert fast eine Stunde. Kaum bin ich fertig und die Boje unter Deck, frischt der Wind aus Südost auf. Nun muss ich hoch am Wind bald gegen einen äußerst unangenehmen Seegang und gegen den Strom ankämpfen. Die Wellen sind zwar nicht sehr hoch (vielleicht 1–1,5 m) aber so steil, dass sie immer wieder das Boot vollständig abstoppen. Mehrmals erwäge ich, meinen Plan abzubrechen und den Kurs nach Khorshavn zu än-dern, weil das Boot sehr unangenehm arbeitet. Die Erlebnisse aus dem letzten Jahr tauchen wieder in meiner Erinnerung auf, als zwei Bolzen während der Reise zum Nordkap gebrochen waren. Aber dann geht es wieder etwas besser. So bleibe ich doch auf Kurs zur Brücke. Als ich sie ereiche, ist es bereits dunkel. Es begeistert mich jedes Mal, wenn ich dieses Bauwerk passiere, nun schon zum zehnten Male. Letztes Jahr bei 6 Bft aus SE habe ich es nicht geschafft, durch die Haupt-brücke zu segeln. Da der Seegang zu stark war, bin ich früher abgefallen und habe die westliche Durchfahrt genommen. Heute hat es nur noch 4 Bft, so dass ich es schaffe, auch wenn der See-gang für diesen Wind viel zu steil und zu hoch ist. Südlich der Brücke kann ich auf Westkurs ab-fallen. Jetzt geht die Post ab. Mit 8 kn rausche ich dahin. Das Schlimmste habe ich überstanden. An der nächsten weißen Leuchttonne muss ich wieder anluven um auf Südkurs zu gehen. Am Wind geht es weiter durch die Nacht. Gegenüber letztem Jahr wurden hier neue Leuchttonnen gelegt. Peri steuert sich selbst, ich habe die Segel ausgetrimmt, so dass ich nicht Ruder gehen muss. Ich kann mich hinter der Sprayhood aufhalten und die gespenstische Szenerie beobachten, jetzt kommt wieder einiges Wasser über. Über mir funkeln die Sterne, der Mond kommt über die Kimm und neben mir rauscht das Wasser vorbei. Es macht Spaß. Zum dritten Mal rausche ich bei ähnlichen Bedingungen den Langelands Belt nach Süden. Ich fühl mich schon fast zu Hause hier, kenn mich aus. Der Wind legt auf 6 Bft zu. Peri rauscht mit bis zu 10, 11 kn dahin. Als ich die Nord-spitze von Langeland passiere, nimmt der Seegang durch die Landabdeckung ab. Nun wird das Rauschen noch schneller, da die Wellen peri kaum noch bremsen. Es ist toll.
Ich bin begeistert. Dabei habe ich vor der Brücke noch eine Schlappe einstecken müssen. Als der Wind eingesetzt hatte und ich gegenan kreuzen musste, war das Luk im Vorschiff nicht vollständig geschlossen, sondern auf Lüftung eingerastet. Ich hatte das übersehen. Dadurch ist in etwa ein-einhalb Stunden soviel Wasser eingedrungen, das alles im Vorschiff durchnässt ist: Meine Koje, die Bettwäsche, die Polster, die Seekarten usw. Ich hätte mich in den Hintern beißen können, dass mir das schon zum zweiten Mal passiert, ist nicht verzeihlich. Beim ersten Mal lief ich gerade auf der Düna aus Riga aus, als eine See über das Vorluk in meine Koje einstieg, noch dazu die schmutzi-ge, braune, stinkende Brühe der Düna. Und jetzt wieder. Das Gute ist, dass das Wasser hier sau-berer ist.
Kurz vor dem Ende des Belts nördlich von Aeresköbing ankere ich wieder in der Abdeckung von Langeland. Diesmal bin ich vom letzten Jahr vorgewarnt und weiß, dass hier unbeleuchtete Fi-scherzeichen und Netze stehen. Entsprechend vorsichtig laufe ich die Küste an. Nicht weit von mir leuchtet das Ankerlicht eines großen Seglers. Es geht alles glatt.
Da meine Koje durchnässt ist, richte ich mir im Salon eine Ersatzkoje her. Bevor ich sie aufsuche, trinke ich in Ruhe auf Deck in der Nacht noch ein kühles Bier. Am Ufer rauschen die Bäume und biegen sich im Wind. Der Mond scheint. Jetzt hetzen Wolkenfetzen vor ihm vorbei.
3 21 04.09.2002 Nördl. Aeresköbing -> Skaerbaek
Am Morgen hat der Wind nachgelassen. Sogar die Sonne blinzelt durch den morgendlichen Dunst. Ich bringe alles nasse Zeug aus dem Vorschiff an Deck zum Trocknen. Die unter der Koje gestau-ten Toilettenpapierrollen und Küchenrollen sind völlig durchnässt. Ich drücke das Wasser heraus und die Papierrollen werden zu „Backsteinen“. Mein ganzer Proviant im Vorschiff ist durchnässt. Zum Glück ist dies mein letzter Segeltag. Nachdem ich das Gröbste aufgetrocknet und beseitigt habe, ist mir wohler. Wind und die zaghafte Sonne trocknen die Polster etwas. Zum Segeln muss ich die Sachen nach einer Stunde aber wieder unter Deck bringen. Dann gehe ich Anker auf. Mit halbem Wind aus Süden laufe ich nach Westen auf die Einfahrt zum Svendborg-Sund zu. Der Wind steht so, dass ich ohne Motor durchsegeln kann. Allerdings dreht er hin und wieder, und er legt Pausen ein. Wieder begeistern mich die Häuschen am Ufer des Sunds. Am Hafen von Svendborg fahre ich vorbei. Aus der Distanz sehe ich, dass einige alte Grossegler im Hafen liegen. Ich gleite ins Fahrwasser zur Brücke, als eine Fähre entgegenkommt. Sie schrammt die Kurven und quetscht mich und eine andere Yacht aus dem Fahrwasser. Die anderen Yachten laufen unter Motor, ich segle. Mal sind sie schneller, mal ich. Nachdem ich die Brücke passiert habe und das Fahrwasser eine Biegung macht, kann ich den Gennaker setzen. Vor mir segelt eine größere Yacht mit lauter Kevlar- und Mylarsegeln. Ob ich sie einholen kann? Ich kann. Auch die anderen Yachten überhole ich, eine nach der anderen. Ich schätze, dass ich etwa 2 kn schneller laufe. Bei 4 Bft laufe ich um die 7 kn, später bei 3 Bft um die 5-6 kn.
An der Huk von Lyö begegnen mir mehrere alte Großsegler. Sie veranstalten offenbar ein Treffen hier. Mir begegnen noch mehr auf dem weiteren weg, u.a. ein sehr schönes kleineres Schiff. Später lässt der Wind nach, die Sonne kommt hervor. Ich zerre die feuchten Klamotten wieder zum Trock-nen an Deck.
Ich passiere Bagö. Dann flaut der Wind auf 1-2 kn ab. Der Gennaker steht kaum. Ich genieße den traumhaften Reiseabschluss.
Bei Sonnenuntergang erreiche ich die Tonne südlich von Fænø (WP163), der Kreis schließt sich. Spät in der Nacht erreiche Skærbæk und ankere vor dem Yachthafen. Die Reise ist zu Ende.
3 Summen Etappe 3 696,8 sm 195,8 h
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Gesamte Reise Etappen 1 - 3 :
∑ ∑ Summen 1509 412,51
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Auf dem Göta-Kanal
quer durch Schweden
26.7. - 4.9.2000
Strecke:
Skærbæk
> Mem
> Götakanal
> Trollhättan-Kanal
> Göteborg
> Oslo
> Skærbæk
Skipper: Per Asmuss
Mitsegler: Claudia Harbich
(bis Göteborg)
Reisetage : 40
Segeltage : 38
Ankertage : 2 40 Ankerplätze
Hafentage : 0 10 Orte
Seemeilen : 1509 sm 100 %
- unter Segeln : 1361 sm 90,2 %
- unter Motor : 148 sm 9,8 %